Allen Warnungen zum Trotz bewahren viele Deutsche zu Hause ein Vermögen auf – in Bargeld. Das ist nicht nur gefährlich, sondern vor allem unrentabel. Doch warum haben viele Menschen ihr Bares gern unterm Kopfkissen oder in der Tiefkühltruhe?
40.000 Euro hatte ein 90-Jähriger in seiner Wohnung in Mannheim gehortet. Ihm schien das eine bessere Idee zu sein, als das Geld auf die Bank zu bringen. Doch ein Dieb verschaffte sich Zugang zu der Wohnung und nahm die volle Geldkassette mit. Das Ersparte war futsch. Der Senior ist nicht der Einzige in Deutschland, der sein Geld lieber zu Hause aufbewahrt als es einer Bank anzuvertrauen.
„Viele Menschen möchten ihr Geld anfassen und sehen können. Dahinter steckt die Illusion, man hätte so mehr Kontrolle“, sagt der Bamberger Professor für Finanzwirtschaft Andreas Oehler. „Manche denken sich: Wenn es sowieso nahezu keine Zinsen gibt, kann ich mein Geld auch unters Kopfkissen legen.“ Und das, obwohl es dort sehr viel schneller weg sei als auf der Bank. Beim Ort des Verstecks sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Oehler zufolge liegt Geld häufiger im Gefrierschrank als unterm Kopfkissen.
Wer Bargeld hortet, verliert dadurch laut Bundesbank vor allem Geld: durch entgangene Zinsen – wenn auch niedrige, anfallende Schließfachkosten oder womöglich Diebstahl. In Zeiten hoher Unsicherheit wollten viele Menschen aber schnell auf ihre Finanzen zugreifen können – und Bargeld sei eben am schnellsten verfügbar. Während der Finanzkrise im Oktober 2008 etwa sei die Nachfrage danach stark gestiegen.
Folgen der Negativzinsen
Vor allem 500-Euro-Scheine waren auffällig begehrt. Im Krisenjahr 2009 ging die Bundesbank davon aus, dass die Deutschen bis zu 65 Prozent des umlaufenden Bargeldes horteten. Wie hoch der Anteil derzeit ist, darüber gibt es keine Schätzungen. Befragungen hält Oehler bei diesem Thema nicht für verlässlich: „Wer sagt schon die Wahrheit, wenn er zum Beispiel aus unlauteren Motiven Geld zu Hause versteckt?“
Der Bundesverband deutscher Banken sieht derzeit zwar keine Anzeichen dafür, dass die Deutschen viel Bargeld horten. Doch das könnte sich aus Sicht mancher Fachleute ändern. Der Grund: die Diskussion um Negativzinsen, wenn also Bankkunden Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie größere Summen anlegen. Mit den Einlagen der Sparer ist wegen der Niedrigzinsen am Kapitalmarkt kaum Geld zu verdienen. Bislang erheben einzelne Banken für Großkunden Negativzinsen.
„Sollten Banken tatsächlich anfangen, negative Zinsen auch für ganz normale Sparer einzuführen, dann halte ich es für ein wahrscheinliches Szenario, dass die Leute anfangen, ihr Geld abzuheben und es zu Hause oder im Schließfach zu deponieren“, sagt Finanzmarktexpertin Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. „Deshalb bin ich erstaunt, wie leichtfertig Banken darüber reden.“ Wer auf dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise sein Geld lieber nicht den Banken überließ, der sorge sich wahrscheinlich um die Stabilität des Geldhauses, wie Schäfer sagt.
Diese Befürchtung sei in Deutschland heute in den Hintergrund getreten. „Man hat die Erfahrung gemacht, dass man sich letztlich doch keine Sorgen machen muss.“ Volkswirt Michael Feigl vom Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg appelliert an den gesunden Menschenverstand. „Ich hoffe immer, dass die Leute vernünftig sind und keine größeren Geldsummen zu Hause horten“, sagt er. Schließlich seien die Einbruchszahlen hoch.
Finanzexperte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim gibt zu bedenken: „Geld zu Hause zu bunkern, ist auch teuer. Man müsste anfangen, in Sicherheit zu investieren und Tresore kaufen. Und die Versicherungsprämie auf das Bargeld zu Hause ist auch eine Art negativer Zins.“