Die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD haben gerade erst begonnen. Doch eine – historische – Entscheidung steht bereits fest: Die hohen Staatsschulden sollen für immer bleiben.
Eigentlich haben wir es immer schon geahnt: Die hohen Staatsschulden können wir nie zurückbezahlen. Und unsere Politiker wollen das wohl auch gar nicht. Wichtig ist nur, dass wir Steuerzahler weiterhin brav die Zinsen aufbringen und niemand den schier unerschöpflichen Geldfluss in Frage stellt – so wie in Griechenland. Denn dann gibt es Probleme: Politik funktioniert dann nicht mehr so richtig und die Wirtschaft auch nicht.
Im Fall Griechenlands haben die Deutschen allerdings prima helfen können. Unser Staat hat sich Geld geliehen, was er – Krise hin, Krise her – unbegrenzt kann und hat es dann als Hilfe an die Griechen verliehen. Weil wir selbst allein im Bund eine Billion Euro an Schulden aufgetürmt haben, sieht das zwar ein bisschen komisch aus; zumal die gleiche Schuldsumme noch einmal bei Ländern und Kommunen dazu kommt. Aber das scheint alles beherrschbar.
Vor allem im Moment. Denn wir zahlen historisch niedrige Zinsen, im Schnitt weniger als drei Prozent. Die mehr als ein Billion Bundesschulden kosten Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) etwas mehr als 30 Milliarden Euro Zinsen im Jahr. Noch 2008 hatte sein Ministerium mit rund 47 Milliarden gerechnet.
Dicke Hose
So wie sich manche Zeitgenossen bei niedrigen Zinsen ein viel zu teures Auto leisten, so verleitet die aktuelle Lage auch Schäuble und die große Koalition zur Fortsetzung der Politik auf Pump. Statt den Schuldenberg abzutragen, wollen Union und SPD die sich abzeichnenden Überschüsse der nächsten Jahre lieber für neue Ausgaben verwenden.
Zwar will Schäuble erstmals seit 1969 (!) keine Haushaltslöcher mehr durch neue Kredite stopfen. Den alten Schuldenberg will er jedoch nicht abtragen. Das haben Spitzenbeamte des Finanzministeriums zwar schon seit Jahren erwogen. Erstmals aber hat das mit Schäuble ein führender und verantwortlicher Politiker offiziell ausgesprochen – in der aktuellen FOCUS-Ausgabe sagt Schäuble: „Wenn mich junge Menschen fragen, wann wir endlich ganz ohne Schulden sind, dann sage ich: Hoffentlich nie. Denn Schulden verschwinden nur nach einer Währungsreform.“
Entscheidend, so Schäuble, sei das Verhältnis zwischen Schuldenstand und wirtschaftlicher Leistungskraft. Und da die Wirtschaft künftig kontinuierlich wachse, der Kreditberg aber nicht mehr, werden die Schulden in der Relation zur Leistungskraft der deutschen Steuerzahler immer kleiner.
Hoffen auf die Zukunft
Das stimmt. Aktuell ist der öffentliche Schuldenberg etwa so groß wie 80 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. In den nächsten zehn Jahren soll dieser Wert auf weniger als 60 Prozent sinken. Die Schulden-Billion soll aber bleiben.
Jedes Jahr werden 250 bis 300 Milliarden Euro davon umgewälzt. Das bedeutet: Die entsprechenden Kredite werden zurückgezahlt – durch neue Kredite, die der Staat aufnimmt. Noch zahlt der Bund für die neuen Kredite weniger Zinsen als für die alten. Doch das kann sich wieder ändern. Wenn in einigen Jahren die ersten Staatsanleihen eine kostspieligere Anschlussfinanzierung erfordern, kann der gleiche Schuldenberg auch wieder 60 statt 30 Milliarden Euro im Jahr kosten. Um 30 Milliarden Euro zusätzlich aufzutreiben, müsste der Bundesfinanzminister zum Beispiel den Solidaritätszuschlag verdreifachen – oder die Mineralölsteuer fast verdoppeln.
Die Kinder zahlen
Die Entscheidung, die in diesen Tagen hinter den verschlossenen Türen der Koalitionsrunden fällt, bedeutet auch das Eingeständnis, dass wir den Schuldenberg nicht nur unseren Kindern, sondern auch den Enkeln und Urenkeln hinterlassen. Klar: Wenn wir jedes Jahr zehn Milliarden Euro tilgen würden, wäre die Bundesschuld auch erst in mehr als hundert Jahren verschwunden. Aber ohne Tilgung zahlen wir und unsere Nachfahren in den gleichen hundert Jahren für eine Billion Euro Bundesschuld mindestens drei Billionen Euro Zinsen – auch wenn die Inflation die Rechnung abmildert.
Wir sollten zumindest einmal darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, sich dauerhaft mit dem Schuldenberg einzurichten.