»Der Sparer-Enteigner schlägt schon wieder zu!«

IWF-Chefökonom Olivier Blanchard will, dass die Deutschen noch mehr für Europa zahlen und sich an eine doppelt so hohe Inflation gewöhnen – der „Wohlstandsverlust“ sei zu verschmerzen. Was hat der Franzose bloß gegen uns?

Er hat es schon wieder getan: Deutschland zu maßregeln, scheint Olivier Blanchard größte Freude zu bereiten. Wäre er nur irgendein Ökonom, man könnte ihn einfach ignorieren. Doch das ist er – leider – nicht. Blanchard ist Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) und damit einer der einflussreichsten Ökonomen der Welt. Deshalb müssen wir uns mit ihm, seinen gefährlichen Thesen und seinen perfiden Plänen beschäftigen.

In seinem jüngsten „Handelsblatt“-Interview knöpft sich Blanchard die Deutschen vor – wieder einmal: Er hätte sich in der Eurokrise „gewünscht, dass Deutschland sich etwas stärker engagiert, sich schneller bewegt hätte“. Die Deutschen dürften nicht ständig das „Transfersystem“ schmähen, sondern sollten endlich eine gemeinschaftliche „Versicherung für Europa“ finanzieren. Denn: „Mal brennt es beim Nachbarn, mal im eigenen Haus.“

In dieser ersten Attacke Blanchards stecken gleich zwei Gemeinheiten:

1. Deutschland hat sich bereits extrem stark engagiert. Wir haften für fast ein Drittel aller Euro-Rettungsgelder. Die gesamten europäischen Finanzspritzen belaufen sich je nach Schätzung auf immerhin bis zu 800 Milliarden Euro.

2. Der Ökonom versteht offenkundig das Prinzip einer Versicherung nicht: Man bezahlt eine Prämie, um das eigene Risiko abzudecken – nicht aber zusätzlich die Risiken der anderen. Kein Hausbesitzer auf der ganzen Welt würde eine doppelt so hohe Prämie akzeptieren, damit auch die Immobilie seines Nachbarn versichert ist. Außerdem: Die Versicherungskonzerne kalkulieren ganz genau, von welchem Kunden sie welche Risikoprämien verlangen – ein Haus mit Strohdach wäre viel teurer als eines mit Ziegeln. Und Frankreich müsste mehr bezahlen als Deutschland.

„Sparen ist Geschichte“

Vor allem letzteres scheint Blanchard massiv zu stören. Deshalb kommt er rasch zu seinem Lieblingsthema: weniger sparen, mehr Geld ausgeben. Der IWF-Mann freut sich, dass sich Frankreich, Italien & Co mehr Zeit ertrotzt haben, um ihren Schuldenstand zu senken: „Der Streit ums Sparen ist fast schon Geschichte.“ Damit hat er leider Recht. Für jede Mini-Reform verlangen die Euro-Notfälle inzwischen Geld von den Noch-Zahlungsfähigen. Das sieht auch der italienische Ministerpräsident Enrico Letta so: Die „Überschussländer“, also vor allem Deutschland, müssten „mehr Solidarität“ mit Krisenstaaten zeigen.

Als Mittel zum Zweck will Chefvolkswirt Blanchard die Europäische Zentralbank (EZB) missbrauchen. Die ist eigentlich unabhängig. Und soll bei der geplanten „Bankenunion“ die privaten Geldhäuser völlig eigenständig überwachen. Allein die EZB dürfte dann bestimmen, welches wacklige italienische Kreditinstitut sich mehr Kapital besorgen und welches französische sogar schließen muss.

Genau das will der forsche Franzose verhindern. Blanchard fordert, dass die Zentralbank hier „unter eine Art politische Aufsicht gestellt“ wird. Als Folge würde dann letztendlich der französische Staat mitbestimmen, ob die EZB eine marode französische Bank dicht machen darf. Das aber wäre das Gegenteil einer echten Bankenkontrolle. Olivier Blanchard dürfte das nicht stören. So etwas fällt für ihn unter „aktive Wirtschaftspolitik“.

Doch es scheint Blanchard nicht zu genügen, die Europäische Zentralbank unter „politische Aufsicht“ zu stellen. Er will ihr auch ihren wichtigsten Auftrag entziehen: Die Kontrolle der Preisstabilität. Der IWF-Chefvolkswirt fordert, dass die EZB ihr Inflationsziel von zwei Prozent auf vier Prozent erhöht – also glatt verdoppelt. Seine Begründung: „Die Wohlstandskosten einer zwei- oder vierprozentigen Inflation sind in etwa gleich gering.“

Wie bitte? Vier Prozent Inflation sind also nicht schlimmer als zwei Prozent? Der Mann leidet offenkundig unter einer schweren Rechenschwäche. Wir sollten ihm dringend helfen. Deshalb, nur für Sie, Monsieur Blanchard, unsere kleine Nachhilfestunde in Sachen Prozentrechnung: Wie viel sind 10 000 Euro Erspartes in zehn Jahren noch wert – bei zwei Prozent und bei vier Prozent Inflation?

Bei zwei Prozent Geldentwertung beträgt die Kaufkraft von 10 000 Euro nach zehn Jahren noch exakt 8203,48 Euro. Bei vier Prozent sind es sogar nur noch kümmerliche 6755,64 Euro. Das sind genau 1447,48 Euro weniger. Für Sie als wohldotierten Karriere-Wissenschaftler mag dieser „Wohlstandsverlust“ verschmerzbar sein.

Nicht aber für einen Sparer, der seine (bereits einmal versteuerten) 10.000 Euro gern behalten möchte.

Also, werter Monsieur Blanchard: Wenn Sie nicht bald etwas gegen Ihre Rechenschwäche unternehmen, wird der Begriff „Chefökonom“ noch zu einem Schimpfwort. Das wäre doch schade. Denn es soll tatsächlich zurechnungsfähige Köpfe unter den Volkswirten geben. Außer Ihnen natürlich.

Quelle: http://www.focus.de/finanzen/doenchkolumne/tid-34365/iwf-oekonom-mit-rechenschwaeche-der-sparer-enteigner-schlaegt-schon-wieder-zu_aid_1141714.html

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