Die Versicherer kommen durch die Niedrigzinsphase immer mehr in die Bredouille und haben große Schwierigkeiten, Altverträge mit hoher Verzinsung zu bedienen. Das Bundesfinanzministerium warnt in einem Schreiben vor „existenzbedrohlichen Problemen bei zahlreichen Lebensversicherern“.
Kurz vor Weihnachten wird dem Sparer ein ganz bitteres Weihnachtsgeschenk serviert. Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) verordnete Niedrigzinsphase zeigt abermals seine destruktive Auswirkung. Die Aussage von Helmut Posch, seines Zeichens Chef des Versicherungskonzerns Continentale „Wenn die Niedrigzinsphase länger anhält, droht die Gefahr, dass wir japanische Verhältnisse bekommen und einzelne Lebensversicherer ihre Garantiezinsen nicht mehr erfüllen können“ sollte uns alle aufhorchen lassen. Auch Nikolaus vom Bomhard, Vorstandschef des Versicherungskonzerns Munich Re sagt, dass die negativen Folgen der Notenbankpolitik immer gravierender werden. Mit dieser Aussage hat der Mann zweifellos Recht. Zudem wird nun befürchtet, daß mehrere Versicherungen eine längere Niedrigzinsphase nicht überleben werden und der Garantiezins, der 2015 auf 1,25 Prozent sinken wird abermals gesenkt werden muß. Mehr denn je ist es essentiell die klassische Lebensversicherung zu überdenken.
Die Kapitallebensversicherung ist das Paradebeispiel für den epochalen Wandel unseres Systems. Jahrzehntelang hat sie als Anlageform funktioniert und war neben der staatlichen Rente die Säule der Altersvorsorge. Jetzt hat des Deutschen liebstes Kind – in Deutschland gibt es mehr Lebensversicherungen als Einwohner! – ausgedient und geht selber in Rente. Was wir momentan erleben ist auch keine kurze Periode der Schwäche, sondern das Ende dieses Anlagemodells. Ausgelöst wird es durch die anhaltende Niedrigzinspolitik der Notenbanken. Das haben nun auch die großen Bank- und Versicherungskonzerne erkannt und akzeptiert. Allianz und Ergo haben beide neue Modelle der Lebensversicherung vorgestellt, bei der es keinen Garantiezins mehr gibt. Lassen Sie sich von den schönen Namen der beiden Produkte – „Perspektive“ und „Rente Garantie“ – nicht blenden. Das ist reines Marketing. Dahinter verbirgt sich für die Kunden eher das Gegenteil. Die Sparkassen prüfen derzeit sogar den Komplettausstieg aus dem Geschäft mit Kapitallebensversicherungen. Andere Unternehmen haben sich hierzu schon entschieden, so die Ergo-Tochter Victoria Leben, der zur Zürich-Gruppe gehörende Deutsche Herold und die Bayerische Beamten Lebensversicherung. Andere werden folgen.
Kapitallebensversicherung und Rentenversicherung
Die Kapitallebensversicherung baut Kapital auf und sichert wirtschaftlich das Leben des Versicherten ab. „Der Versicherungsfall ist das Erleben eines bestimmten Zeitpunkts (Erlebensfall) oder der Tod des Versicherten während der Versicherungsdauer (Todesfall).“ Mit einer Rentenversicherung wird Geld für das Rentenalter im Erlebnisfall angespart, aber der Tod nicht mit abgesichert.
2012 haben die deutschen Versicherungskonzerne zinsbedingt vier Milliarden Euro weniger eingenommen. Die wahren Verlierer sind aber die Kunden. Diese haben seit dem Jahr 2000 sage und schreibe 210 Milliarden Euro an Überschussbeteiligungen in den Wind geschrieben.
Überschussbeteiligung
Eine Überschussbeteiligung ist die Beteiligung der Versicherungsnehmer am erwirtschafteten Überschuss bzw. am Gewinn eines Versicherers mit der entsprechenden Versicherung. Dieser Überschuss wird im Jahresabschluss ausgewiesen.
Auch gehen mehr und mehr Versicherungen dazu über, den Schluss-Bonus einer Lebensversicherung zu kürzen oder sogar ganz zu streichen, wie zum Beispiel die Sparkassenversicherung Provinzial. Dadurch entgehen den Versicherten nach Vertragsende mehrere tausend Euro.
Fazit: Mit Kapitallebensversicherungen und privaten Rentenversicherungen geht man eine Wette auf Zeit ein. Bei beiden Anlagemodellen wettet man, dass das einbezahlte Geld in 30 Jahren noch vorhanden sein – und ordentlich verzinst ausbezahlt wird. Sind Sie ernsthaft überzeugt, dass Ihnen das heute noch irgendwer garantieren kann? Wir jedenfalls nicht. Bevor Sie eine solche Versicherung abschließen, sollten Sie sich folgende Fragen stellen:
- Wird das Versicherungsunternehmen zum Zeitpunkt der Auszahlung bzw. während der gesamten Verrentungsphase noch existieren?
- Werden die Staaten zum Auszahlungszeitpunkt bzw. während der gesamten Verrentungsphase noch ihre Schulden bezahlen können? Schließlich steckt Ihr Geld ja größtenteils in Staatsanleihen.
- Wird die Währung, in der Sie Ihr angelegtes Geld – hoffentlich – zurückbekommen, zum Auszahlungszeitpunkt bzw. während der gesamten Verrentungsphase die gleiche sein wie heute?
- Wird die Kaufkraft der Währung zum Auszahlungszeitpunkt bzw. während der gesamten Verrentungsphase dieselbe sein wie heute?
- Wird die versprochene Verzinsung – besser natürlich: die Verzinsung, die Sie am Ende tatsächlich bekommen – wenigstens die inflationsbedingte Geldentwertung ausgleichen?
- Und was bleibt darüber hinaus vielleicht für eine Rendite übrig?
Die Versicherer kommen durch die Niedrigzinsphase immer mehr in die Bredouille und haben große Schwierigkeiten, Altverträge mit hoher Verzinsung zu bedienen. Das Bundesfinanzministerium warnt in einem Schreiben vor „existenzbedrohlichen Problemen bei zahlreichen Lebensversicherern“, und auch der oberste Versicherungsaufseher der BaFin, Felix Hufeld, geht davon aus, dass wohl einige Versicherungen ihre Türen schließen werden.
Was spricht gegen eine Kapitallebensversicherung
- Hohe Kosten: die ersten fünf Jahre verdienen vor allem die Versicherung und der Makler. Im Schnitt werden 4 Prozent der Gesamtsumme an Abschlussprovision fällig, hinzu kommen Verwaltungskosten von 1 bis 10 Prozent, je nach Versicherer.
- Durch die historisch tiefen Leitzinsen kommen mehr und mehr Versicherungen in massive Schwierigkeiten.
- Die Versicherungen sind gesetzlich verpflichtet, einen hohen Anteil der Anlegergelder in festverzinsliche Anleihen, wie zum Beispiel Staatsanleihen, anzulegen. Ein Ausfallrisiko bei einem Schuldenschnitt oder Staatsbankrott müsste der Anleger tragen.
- Die Garantieverzinsung von 1,75 Prozent bei Neuverträgen liegt bereits jetzt unter der aktuellen – recht moderaten – Inflationsrate. 2015 soll die Garantieverzinsung auf 1,25 Prozent gesenkt werden.
- Die Überschussbeteiligung wird nicht an den Versicherten weiter gereicht.
- Schlussboni werden gekürzt oder ganz gestrichen.
- Das Steuerprivileg für Kapitallebensversicherungen und private Rentenversicherungen wurde mit Stichtag 1. Januar 2005 aufgehoben. Seitdem werden Erträge aus Lebensversicherungen voll versteuert. In Ausnahmefällen (z.B. mindestens zwölf Jahre Vertragslaufzeit, vollständige Einmalauszahlung) wird immerhin noch der halbe Steuersatz fällig.
- Mit einer Lebensversicherung ist man unflexibel und hat eine extrem lange Bindung; bei vorzeitiger Kündigung verliert man zudem viel Geld.
Welche Gesetze zusätzlich an ihrer Versicherung nagen könnten
CAC-Klausel: Der Name dieser Neuregelung der Bedingungen für Staatsanleihen ist Programm. Die CAC (Collective Action Clause, zu deutsch „Kollektive Handlungsklausel“) ist seit 2013 europäisches Gesetz. Mit ihr können Besitzer von Staatsanleihen, die zu einem großen Anteil auch in Lebensversicherungen, Rentenversicherungen und Fonds enthalten sind, künftig auch gegen ihren Willen rückwirkend enteignet werden! Anbieter von Lebensversicherungen, Rentenversicherungen, Rentensparverträgen sind gesetzlich verpflichtet, das Geld ihrer Kunden zum Erwirtschaften von Erträgen in Anleihen mit „hoher Güte“ anzulegen, und das sind nun einmal sehr oft Staatsanleihen. Festverzinsliche Wertpapiere, zu denen die Staatsanleihen gehören, machten 2013 rund 90 Prozent der 769 Milliarden Euro Kapitalanlagen deutscher Lebensversicherer aus. In Anbetracht dieser astronomischen Summe ist es wichtig, sich bewusst zu machen, was mit diesen Kapitalanlagen geschieht, falls es zu einem Zahlungsausfall kommen sollte.
Seit 2013 enthalten alle ausgegebenen Staatsanleihen die genannte CAC-Klausel. In fünf Jahren werden mehr als die Hälfte aller Anleihen die Klausel über kollektives Handeln enthalten. Und das heißt, dass die Besitzer der in Lebensversicherungen, Rentenversicherungen und Fonds enthaltenen Staatsanleihen gegen ihren Willen rückwirkend enteignet werden können! Aber auch Besitzer von Staatsanleihen, die keine CAC-Klausel enthalten, können enteignet werden. So schon geschehen in Griechenland. Dort haben die Anleger bis zu 80 Prozent ihres Geldes verloren. Im Notfall schreckt der Staat vor keiner Maßnahme zurück.
Versicherungsaufsichtsgesetz § 89: Mit diesem Gesetz können zur Vermeidung der Insolvenz einer Versicherungsfirma und zum „Besten der Versicherten“ betroffenen Versicherungen sämtliche Auszahlungen verboten werden. Davon sind dann unter Umständen auch alle Versicherungsleistungen betroffen. Ebenso können die Versicherungsleistungen herabgesetzt werden. Die Pflicht der Kunden, weiterhin ihre Beiträge zu zahlen, bleibt davon unberührt! Das bedeutet, dass man eventuell gar keine oder nur eine geringere Gegenleistung bekommt aber weiterhin voll bezahlen muss.
Versicherungsvertragsgesetz §§ 163/164: Aus diesem Gesetz geht hervor, dass in Notfällen der Versicherer die Höhe der Prämien ändern oder die Leistungen abmindern kann.
„Wer eine Lebensversicherung abschließt, sollte dies nie ohne ein Lächeln auf den Lippen machen, das signalisiert, dass er den Witz der Sache verstanden hat.“ Wolfgang J. Reus (1959 – 2006), deutscher Journalist und Satiriker
Im momentanen Marktumfeld noch eine Kapitallebensversicherung abzuschließen macht unseres Erachtens keinen Sinn. Unsere Empfehlung: Überprüfen Sie bestehende Verträge nach Laufzeit, Garantieverzinsung und persönlichem Szenario. Und legen Sie sie gegebenenfalls still oder lösen Sie sie ganz auf. Keine Sorge, Sie wären dann in guter Gesellschaft! Schon jetzt wird jeder zweite Vertrag vor Ablauf storniert.
Wenn Sie denken, dass es zu keinen größeren Verwerfungen und Krisen kommt, wenn Sie überzeugt sind, dass unser Finanzsystem stabil bleibt, dann können Sie zumindest Verträge, die vor 2005 abgeschlossen wurden und die noch keine zwölf Jahre laufen, fortführen. Wenn Sie unsere diesbezügliche Skepsis teilen, dann sollten Sie überlegen, ob Sie Ihre Verträge kündigen – oder zumindest stilllegen. Werfen Sie schlechtem Geld kein gutes Geld hinterher!
Noch können Sie Ihre Lebensversicherungen zum Rückkaufwert verkaufen. Auch das bringt zwar gegebenenfalls Verluste. Aber vielleicht wird es in Zukunft ein Gesetz geben, ähnlich § 89 VAG bzw. § 163 VVG, das genau dies untersagt. Wenn immer mehr Bürger Ihre Lebensversicherungen verkaufen oder auflösen, dann ist es angesichts der Macht der Versicherungslobby durchaus denkbar, dass der Gesetzgeber eben dies zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren versucht. Vergessen Sie nicht, dass der Staat ein gehöriges Eigeninteresse hat: dass Versicherungskonzerne weiterhin Staatsanleihen kaufen.
Kündigung Lebensversicherung
Wer vorab seine Lebens- oder Rentenversicherung kündigen möchte, sollte die Kosten genau prüfen. Spezielle Regelungen gelten für Verträge, die von zwischen 2001 und 2007 abgeschlossen wurden. Hier wurden die Kostenverrechnungsklausen bei einer Kündigung nach 2009 vom Bundesgerichtshof für unwirksam erklärt. Bei den Verbraucherzentralen erhält man ein Musteranschreiben für die Nachzahlungsansprüche an seine Versicherung. Leider ist das Thema der Kündigungsbedingungen sehr kompliziert. Fast alles hängt hier letztlich vom konkreten Vertrag ab. Erste Tipps bekommen Sie über die Stiftung Warentest und bei den örtlichen Verbraucherzentralen. Auch eine Einzelberatung bei einem der dortigen Versicherungsexperten kann sinnvoll sein.
Ich bin kein Freund von Wetten. Vor allem nicht bei einem so wichtigen Thema wie der Altersvorsorge. Aber nichts anderes ist eine Lebensversicherung: Eine Wette auf die Zukunft. Wenn man dann noch der Gefahr einer Enteignung ausgesetzt ist, gibt es keinen logischen Grund, sein Geld und seine Altersvorsorge in diesem Vehikel zu platzieren. Hinzu kommen noch die horrenden Kosten und Gebühren. Zu viele Punkte sprechen inzwischen einfach gegen den Klassiker der privaten Altersvorsorge. Wir würden jetzt gerne schreiben: Sprechen Sie mit Ihrem Berater! Aber leider wäre das kein guter Rat. Denn die Berater von Banken und Versicherungen müssen vor allem verkaufen. Sie handeln verständlicherweise nicht in Ihrem Interesse, sondern in ihrem eigenen und in dem ihres Brötchengebers.
Sicher: Alle wollen nur unser Bestes. Unser Geld!