Mit der Steuer auf Sparguthaben hat in Spanien die direkte Enteignung der Sparer begonnen. Auch in Deutschland ist so eine Zwangsabgabe denkbar, so der Ökonom Max Otte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble habe längst vor den Lobbygruppen kapituliert. Die Bundesregierung setze offenbar darauf, dass sich die Sparer alles gefallen lassen.
Max Otte, Geburtsname Matthias Otte (* 7. Oktober 1964 in Plettenberg) ist ein deutsch-US-amerikanischer Ökonom. Er ist Professor für allgemeine und internationale Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Worms, seit 2011 zudem Professor für quantitative und qualitative Unternehmensanalyse und -diagnose an der Universität Graz, Leiter des 2003 von ihm gegründeten Instituts für Vermögensentwicklung (IFVE) sowie unabhängiger Fondsmanager.
In Spanien wurde erstmals eine landesweite Steuer auf Bankguthaben eingeführt. Spareinlagen werden dort ab sofort mit 0,03 Prozent besteuert. Die Regierung erhofft sich dadurch steuerliche Mehreinnahmen von rund 400 Millionen Euro. Das Gesetz tritt unmittelbar in Kraft un gilt sogar rückwirkend zum 1. Januar 2014, so dass eine Steuerflucht nicht mehr möglich ist. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten sprachen mit dem Finanzexperten Max Otte.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Spanien hat eine landesweite Steuer von 0.03 Prozent auf Bankguthaben erhoben. Die Regierung begründet das damit „die Markteinheit zu stärken und zu garantieren“. Zudem sollen so die finanzschwachen Regionen gestärkt werden. Ein Art Länderfinanzausgleich oder was steckt wirklich hinter der neuen Abgabe?
Max Otte: Einen Länderfinanzausgleich könnte man über das normale Steuersystem durchführen. Hier geht’s darum, dass tatsächlich zum ersten Mal das, was wir alle schon vor fünf, sechs, sieben Jahren befürchtet haben, nämlich die Enteignung der Sparer, offen und flagrant von einer kleinen Gruppe probiert wird. Hier geht’s darum die Sparer zu belasten, um damit andere Dinge zu bezahlen, zum Beispiel insgesamt fehlende Staatsfinanzen. Das ist eine Umverteilung von den Sparern zu anderen Sektoren. Und das haben wir schon seit bald sieben Jahren in Form der Finanzrepression, also etwas versteckter. Die Guthaben-Zinsen liegen deutlich unter der tatsächlichen Inflation, wenn man die Inflation richtig rechnet. Das ist nicht uneffektiv aus Sicht der Staaten: Die tatsächliche Umverteilung beträgt so bereits zwei bis drei Prozent pro Jahr, wenn man richtig rechnen würde. Das ist die Enteignung der Sparer. Das sind dann in zehn Jahren 25 Prozent und in 15 Jahren schon fast 40 Prozent durch den Zinseszins-Effekt. Aber in Spanien wird nun zum ersten Mal flagrant in die Vermögen der Sparer direkt eingegriffen wird.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Zinsen sind auf Rekordtief. Nun belegt die Regierung Sparguthaben mit Abgaben. Welchen Anreiz haben spanische Bürger nun noch, ihr Geld einer Bank anzuvertrauen? Ist zu erwarten, dass die Spanier ihr Geld abziehen und nach anderen Anlagemöglichkeiten suchen?
Max Otte: Das tun die Bürger in gewisser Weise jetzt schon. Zum Beispiel in Deutschland: Hier werden leider keine Aktien gekauft, was eine solide Vermögensanlage ist. Es wird etwas Gold gekauft, aber es wird vor allem konsumiert, wie lange nicht. Also man untergräbt sich selber die Zukunft der Volkswirtschaft und das sind die Spareinlagen. Das Kapital, was gesammelt wird, um es für Investitionen zu nutzen, das bauen wir sowieso schon ab. Aber ansonsten lassen die Leute alles mit sich machen. Das sehe ich keine Veränderung. Es wird gemacht, und dann kommt das nächste Land dran. Und schon sind wir einen Schritt weiter in der Planwirtschaft und im Sozialismus. Das geht im Moment in riesen Schritten.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Regierung erhofft sich durch die Abgabe bis zu 400 Millionen Euro Mehreinnahmen. Steht die spanische Regierung wirtschaftlich so schlecht da, dass sie für eine so geringe Summe einen möglichen Bank-Run in Kauf nimmt?
Max Otte: Gewohnheiten ändern sich wenig. Die Amerikaner, beispielsweise, haben Schulden, Immobilien- und Aktiensparpläne. Die Deutschen haben Lebensversicherungen, Geld, Immobilien und keine Schulden. Das ist fest in der Mentalität der Leute drin. Diese – zunächst kleine – Steuer zur Enteignung der Sparer wird keinen großen Run auf andere Anlageformen auslösen. Die Leute werden sagen: „Na gut, dann nehmen wir das auch noch in Kauf“. Das ist wie mit dem Frosch, den man so langsam im Wasser kocht, und er merkt den Temperaturanstieg nicht.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Erwarten Sie, dass die spanische Regierung die Steuer auf Bankguthaben nun sukzessive erhöht? Könnte sie dadurch einen Bank-Run auslösen?
Max Otte: Zur Not, ja. Die ganzen Maßnahmen der letzten sechs Jahre sind alle gegen die Sparer, gegen den Mittelstand, gegen situierte Bürger, die einen halbwegs vernünftigen Job haben und dafür pro Staat, pro Staatssicherung, pro Finanzbranche. So läuft die Politik im Moment. Und es ist auch nicht ganz überraschend, wenn man sieht wo die Lobbymächte sitzen, dass wir letztlich keine funktionierenden und effektiven Staaten mehr haben in Europa, die das in irgendeiner Form ausgleichen oder aufhalten können.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Erst Zypern, und nun Spanien. Sind die Abgaben auf Sparguthaben nur Testläufe für ganz Europa?
Max Otte: Zypern habe ich unterstützt, weil in Zypern vor allem Fluchtgeld war. Man hat die großen Konten belastet, die wissentlich und willentlich in diesen dubiosen Bankenplatz gegangen sind. Man muss das also etwas differenzieren…
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In Spanien greift man nun aber auch Konten unter 100.000 Euro an. Ist Spanien also nach Zypern ein weiterer Testballon und müssen wir uns darauf einstellen, dass solche Maßnahmen auch in Deutschland angewendet werden?
Max Otte: Ich befürchte mittlerweile ja. Ich hätte das noch vor zwei Jahren für unmöglich gehalten, aber ich habe vieles für unmöglich gehalten. Ich habe die NSA-Geschichten für unmöglich gehalten. Ich habe diesen dubiosen MH17-Abschuss für unmöglich gehalten, an dem meiner Meinung nach weder Russland, noch die pro-russischen Separatisten Interesse haben konnten. Wenn überhaupt jemand daran Interesse haben kann, dann vermutlich jemand ganz anderes. Also ich habe unglaublich Vieles für unmöglich gehalten, was mittlerweile eingetreten ist. Von daher sage ich: Auch in Deutschland ist mittlerweile nichts mehr unmöglich, gerade bei Leuten wie Schäuble, die völlig kapituliert haben vor den Lobbys und dem ausländischen Konsens und überhaupt keine deutschen Interessen mehr vertreten.
Quelle: Deutsche Wirtschafts Nachrichten