»Wie eine Sparkasse gegen den Zinseszins kämpft!«

Manchmal kommen die größten Ideen aus den kleinsten Gegenden: Die Sparkasse Rosenheim-Bad-Aibling will unser Geldsystem auf den Kopf stellen. Nicht jeder reagiert auf diesen Vorschlag begeistert.

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Man kennt das ja: Die größten Philosophen kommen oft aus überschaubarer Umgebung. Das war so bei Kant und seinem Königsberg, das war auch so bei Kierkegaard und seinem Kopenhagen. Beides keine Städte, die im vorletzten Jahrhundert der Nabel der Welt waren, und dennoch entsprangen hier Gedanken, die die Weltgeschichte veränderten. In diese Tradition stellt sich jetzt auch die Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling.

Vier Milliarden Bilanzsumme, 1.000 Mitarbeiter, 200 Geldautomaten – keine Frage, die Sparkasse ist keine kleine Nummer, und sie gönnt sich deswegen regelmäßig ein Thema des Monats, in dem sie Stoff zum Nachdenken für alle liefert. Diesmal geht es um den Zins.

Das, was die Sparkasse dort in Form einer kleinen Sonntagspredigt ohne Namensnennung des geistigen Vaters oder der Mutter dieser Gedanken aufgeschrieben hat, lässt Blogger bloggen, es wird geliked, gepostet und getweetet.

Das Erregende an dieser Zinsgeschichte ist, dass sie das, was Banken im Allgemeinen und Sparkassen im Besonderen über Geld so denken, grundsätzlich infrage stellt. „Wir befinden uns“, heißt es da, „in einem soliden Denkgefängnis, in dem wir uns in Bezug auf das Thema Geld eingerichtet haben.“

Zinsen gefährden das Geldsystem

Der Zins gehöre zum Eingangsparadigma, das alle Ökonomen und Bankberater akzeptieren müssten. Langfristig werde jedes Geldsystem durch Zins und Zinseszins zusammenbrechen. „Jeder natürliche, gesunde Organismus hört ab einer bestimmten Größe auf zu wachsen. Im Hinblick auf das Geld trifft dies jedoch nicht zu. Das auf Zins und Zinseszins basierende Geldsystem ist kein natürlicher Organismus.“

Die anonymen Sparkassen-Autoren gehen so an das Thema heran: Die Kritik am Geldsystem stimmt zwar, aber wir verfügen nicht über die Macht und den Willen, es zu ändern. Alle ökonomischen Modelle und Berechnungen setzen den Zins als gegeben voraus. Die Frage hierbei ist: Wollen wir ein Geldsystem, das Stabilität gewährleistet? Oder bevorzugen wir ein System, das großen Wohlstand auf Kosten anderer ermöglicht? Langfristig wird jedes Geldsystem durch Zins und Zinseszins zusammenbrechen.

Doch unser Geldsystem ist nicht gottgegeben. Wir Menschen haben es geschaffen und könnten es auch wieder verändern. Es gibt Lösungsansätze und Geldentwürfe, die einen Nutzen optimieren und helfen, Geld zu schaffen, das weder einem krankhaften Wachstumszwang unterliegt, noch eine ständige Umverteilung von der großen Mehrheit der Menschen zu einer kleinen Minderheit verursacht. (…) Geld ist eine der genialsten Erfindungen der Menschheit. Ohne Geld gäbe es keine Spezialisierung und damit keine arbeitsteilige Zivilisation. Aber wir haben ein völlig festgefahrenes Verständnis davon entwickelt, was Geld ist – als sei das heutige das einzig denkbare oder akzeptable Geld. Anfangs wächst das verzinste Geld um sehr geringe Beträge, dann aber kontinuierlich schneller und schließlich verläuft die Wachstumskurve fast senkrecht.

Am besten aus dem System ausbrechen

Geld verdoppelt sich in regelmäßigen Abständen durch Zins und Zinseszins. Je höher der Zins, desto schneller, je niedriger der Zins, desto langsamer führt es zum Kollaps. Das gilt spiegelbildlich auch für die Schulden. Sehr dramatisch zeigt sich da die Situation in den „Entwicklungsländern“.

Ein afrikanischer Präsident äußerte sich 2008 auf einem Gipfeltreffen wie folgt: „Wir haben 1985/1986 fünf Milliarden Dollar geliehen. Bis jetzt haben wir 16 Milliarden Dollar zurückgezahlt. Jetzt wird uns gesagt, dass wir immer noch Schulden haben, wegen der Zinsraten mit seinem Zinseszinseffekt der Kreditgeber.“

Die Sparkassenautoren legen vor diesem Hintergrund nahe, aus dem System auszubrechen. Das „Bruttoinlandsglück“ erscheint ihnen beispielsweise ein besserer Wohlstandsindikator zu sein als alles bisher Dagewesene. Beim Dachverband der Sparkassen, dem DSGV, sind solche Worte ein Hinhörer. Präsident Georg Fahrenschon sehnt regelmäßig das „Ende der Niedrigzinsphase“ herbei. Aus Rosenheim-Bad Aibling erhält er nun die Antwort, warum er offenbar schief gewickelt ist.

Quelle: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/geldpolitik-wie-eine-sparkasse-gegen-den-zinseszins-kaempft/9846458.html

 

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