Der Vorschlag des IWF für eine zehnprozentige Zwangsabgabe auf Privatvermögen zieht Kreise. Führende SPD-Politiker übernehmen die Idee. Dabei handelt es sich bei diesem Vorschlag um glatten Diebstahl.
Wolfram Weimer war Chefredakteur der Tageszeitung Die Welt, des Politik-Magazins
Cicero und des Focus. Er bezeichnet sich selbst als wertkonservativ.
Zuerst kursierte die Idee bei kommunistischen DDR-Nostalgikern und cholerischen Kapitalismushassern. Dann spielten linke Umverteilungsökonomen mit dem Gedanken und schließlich brachte ausgerechnet der hochseriöse Weltfinanzorganisator IWF die zehnprozentige Zwangsabgabe für Privatvermögen ins globale Gespräch. Darauf dachten viele, das könne nur der Spaß eines nordkoreanischen Praktikanten beim Währungsfonds gewesen sein. Doch der IWF meinte es Ernst, obwohl er inzwischen zu einem halben Dementi gezwungen worden ist: Um die gewaltigen Staatsverschuldungen zu senken, solle man doch direkt in die Ersparnisse der Bürger greifen. Egal ob Spargelder, Wertpapiere oder Immobilien, zehn Prozent könne man enteignen. Die Verschuldung sei schließlich in den Eurostaaten auf 8600 Milliarden Euro gestiegen – deutlich über 90 Prozent des BIP. Eine 10-Prozent-Abgabe könnte die Schuldenstände wieder auf den Stand von 2007 drücken.
So weit, so einfach, wenn man kommunistische Enteignungen für normal hält. Die Aufregung unter Sparern hielt sich freilich in Grenzen, weil niemand ernsthaft glaubte, dass so etwas in Deutschland je passieren werde. Doch nun machen sich – zur Verblüffung des Publikums – wichtige SPD-Politiker genau für diese Idee stark.
Jens Bullerjahn und Norbert Walter-Borjans sprechen sich für eine “einmalige Vermögensabgabe” von zehn Prozent aus. Nun sind die beiden nicht in der Attacgang der sozialistischen Juso-Plattform Duisburg-Süd, sondern amtierende Finanzminister von Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Damit bekommt die Enteignungsidee eine politische Brisanz für die Regierungsbildung der Großen Koalition.
Was offenbar übersehen wird: Eine schlagartige Zehnprozententeignung ist nichts weiter als blanker Diebstahl. Wenn Menschen aus ihrem bereits versteuerten Einkommen etwas sparen, also Verzicht üben und vorsorgen, dann aber plötzlich der überschuldete Staat dreist hineingreift und sich einen Teil packt, weil er selber zum Sparen nicht fähig ist, dann bringt er das Gefüge aus Vertrauen, Eigentum und Sicherheit ins Wanken. Die Integrität einer Gesellschaft würde schlichtweg verraten.
„Eigentum wäre nicht mehr garantiert und geschützt“
Wenn man ohne weiteres 10 Prozent der Ersparnisse stehlen kann, warum dann nicht auch Omas Schmuck oder Opas Briefmarkensammlung oder Vaters Lebensversicherung oder Mutters Goldzähne? Nichts wäre mehr sicher, wenn die Menschen nicht darauf vertrauen können, dass sie vertrauen können. In Ersparnissen stecken Entbehrungen und Lebensentscheidungen, Risikoabwägungen und Schicksale, vor allem aber Fleiß und Ethos – in sie hineingrabschen wie in eine offene Bonbonniere, entlarvt ein Gesellschaftsbild, in dem der Einzelne und sein Schutz nichts mehr gilt.
Das rechtspolitische Signal der Idee ist fatal: Eigentum wäre nicht mehr garantiert und geschützt. Die ordnungspolitische Botschaft wirkt verheerend: Derjenige, der vorsorgt und spart und verzichtet, würde bestraft und enteignet; derjenige aber, der sich übermäßig verschuldet, bekäme Belohnung. Solidität und Zukunftsvorsorge würden absurd, Verlässlichkeit wäre eine untergehende Kategorie.
Zudem riskieren die Politiker mit ihrer Enteignungsidee unnötig und fahrlässig, eine Rettungspanik auszulösen. Wenn die Debatte an Fahrt gewinnt, dann dürften Sparer schlagartig versuchen, ihr Geld von der Bank zu holen, sich in Bargeld zu retten, Kapital irgendwie umzuwidmen – Banken und Börsen drohte ein Crash. Es ist ein sozialistisches Spiel mit dem Feuer.
Schon jetzt werden Sparer über die Niedrigzinspolitik und die finanzielle Repression infolge realer Negativzinsen schleichend enteignet. Doch den staatlichen Akt eines offenen Raubzuges ernsthaft zu erwägen, ist ein Frontalangriff auf unsere Verfassung und ihre Eigentumsgarantie.
„Großkoalitionäre kommen auf neo-sozialistische Ideen“
Offenbar ist die SPD zu solchen Abenteuern ermuntert durch den Verlauf der großkoalitionären Gespräche in Berlin. Denn die machen einen langsam glauben, die SPD habe die Wahl fulminant gewonnen und einige sich mit der CSU im Stile einer Zugewinngemeinschaft auf allerlei Wohltaten. Die CDU wirkt wie verschwunden, nicht personell, aber programmatisch. Es sind Dinge beschlossen, die die Väter der sozialen Marktwirtschaft im Grabe umdrehen lassen: vom politischen Mindestlohn über die Mietpreisbremse bis zur Finanztransaktionssteuer. Die doppelte Staatsbürgerschaft soll kommen, die Frauenquote auch, das Arbeitsrecht wird wieder vermauert, die Schröder-Müntefering-Rentenreform wird aufgeweicht. Überall geht diese Koalition mit den Spendierhosen durch die Soziallandschaft. Big Spending kommt, Big Government ist angesagt: Von Liberalisierung oder Privatisierung ist keine Rede weit und breit. Im Gegenteil: den erfolgreichen Agenda-2010-Reformen droht eine Revision.
Täglich dringen kleine Neo-Sozialismen und große Staatsausgaben aus den Verhandlungsrunden. Nur eines nicht: ein echtes Projekt, eine wichtige Reformtat, von einem marktwirtschaftlichen Aufbruch gar nicht zu reden. Davon scheint diese Koalition so weit entfernt wie ein Kombinat von der Wall Street.
Bislang legen sie in Berlin munter Programme nebeneinander, verschieben diese nach links, einigen sich auf teure Schnittmengen und kommen auf immer wildere, neo-sozialistische Ideen. Es wird Zeit, dass die Kanzlerin Einhalt gebietet und daran erinnert, dass die Partei der sozialen Marktwirtschaft die Wahl gewonnen hat – und nicht die Raubritter der Enteignung.