Das Geldsystem ist ein Selbstmordprogramm auf allen Ebenen. Doch die Kritik daran ist ebenso tabu wie seinerzeit den Sozialismus in Frage zu stellen. Standhaft weigern sich Experten und Politiker, die wahre Ursache der Krise zu erkennen – an deren Ende zwangsläufig der totale gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Kollaps programmiert ist. Die Vorboten dieses Zerfalls sind bereits überall spürbar.
Was haben die finanzielle, die ökologische und die soziale Krise als gemeinsamen Nenner? Diese sich verschlimmernden Krisen werden von einem dysfunktionalen Geldsystem forciert. Ein wichtiger Grund, warum es immer schwieriger wird, diese Krisen zu beheben, beruht auf einem fundamentalen Konstruktionsfehler in unserem Wirtschaftssystem, nämlich der Art und Weise wie Geld geschaffen wird. Für einen nachhaltigen Kapitalismus ist es darum zwingend erforderlich, dass wir ein nachhaltiges Geldsystem erschaffen. Die dem Geldsystem innewohnende Logik steuert nämlich all unsere ökonomischen Entscheidungen. Dessen unbewusste Prämissen durchsäuern unser gesamtes wirtschaftliches Gebaren und Denken. Historische Forschung zeigt, dass das Geldsystem steuert, ob unsere Wirtschaft ein kurzsichtiges Wachstum verfolgt, das wenigen zu Gute kommt oder ob die Wirtschaft nachhaltig wächst und breiten Wohlstand erzeugt.
Die Geldschöpfung erscheint für die Meisten wie ein Mysterium und wird bisher nur von Wenigen wirklich verstanden. Der Geldschöpfungsakt ist jedoch in Wahrheit so simpel, dass er, wie der Ökonom John Kenneth Galbraith einmal sagte, den Verstand vor den Kopf stösst. Nach Aussen erscheint es so, als ob die Banken die Einlagen anderer gegen eine Marge verleihen. In Wirklichkeit wird aber bei jedem Kredit neues aus dem Nichts Geld geschaffen. Die Einlagen früherer Kredite dienen lediglich als Begründung oder Legitimation für eine neue Kredit- und damit Geldschöpfung. Der Verstand ist verwirrt über die tautologische Unlogik eines in sich geschlossenen Begründungszirkels und hat darum ein Problem, die Geldschöpfung zu verstehen.
Wir glauben allgemein, dass wir mit dem Darlehen etwas Wertvolles erhalten (Geld) und sind darum bereit, unsere zukünftigen Einnahmen der Bank zu versprechen bzw. unser Eigentum als Sicherheit zu verpfänden, falls wir das Versprechen nicht einlösen. In Wirklichkeit ist das Verhältnis jedoch genau umgekehrt: Wir erhalten etwas, das im Wesentlichen wertlos ist, nämlich Ziffern auf unserem Konto und wir als Kreditnehmer decken oder füllen diese Ziffern mit einem Wert, d.h. einem Leistungsversprechen.
Es ist also der Darlehensnehmer, der das Geld durch eine Schuldanerkennung und einem Leistungsversprechen „schöpft“. Die Banken haben nur vom Staat die Macht übertragen bekommen, unsere Schuldanerkennung zu monetarisieren, d.h. zu Geld zu machen – und „dafür“ sogar auch noch Zinsen zu verlangen. Darum wird das heutige Geld auch „Schuldgeld“ genannt oder „Fiat-Geld“ das „ex nihilo“ aus dem Nichts geschaffen wird. In der Bibel erschafft Gott das Licht aus dem Nichts mit Hilfe der Worte „ Fiat lux“, lateinisch für „es werde Licht“. Auf dieselbe Weise wird unser Geld aus dem Nichts in unser kollektives Bewusstsein geboren. Dessen innerer Wert wird geschaffen durch eine soziale Konstruktion, in welcher wir „Nichts“ mit einer Schuldanerkennung und einem Leistungsversprechen füllen.
Interessanterweise wurde das Schuldgeld historisch zunächst als „protestantisches“ Geld bezeichnet, vornehmlich von den Katholiken (die Gold bevorzugten). Es erhielt zuerst staatliche Legitimität durch die Bildung von Zentralbanken in protestantischen Staaten wie Schweden (1668) und England (1688). Damit ist auch ein religiöser Hintergrund zum heutigen pseudorationalen Schuldgeld hergestellt: Der Ablasshandel mit der spirituellen Schuld war die „Geschäftsidee“ der Katholiken. Luther und die Protestanten wandten sich gegen diesen Selbstbetrug. Im Protestantismus wurde der „Schuldhandel“ ein internalisierter Prozess im Verhältnis zu einem unsichtbaren Gott. Geld durch eine erschlichene Schuldanerkennung zu erschaffen ist darum psychologisch gesehen ein logischer Schritt für einen schuldbewussten Protestanten, der durch Arbeit nach Sühne sucht. Unser heutiges Schuldgeld ist darum nichts anderes als Ausdruck einer profanen Religion. Schuldgeld ist unser „sicht-barer“ Gott der alles beherrscht und die Banker unsere modernen Priester. Schuldgeld entsteht, weil wir kollektiv unbewusst Schuld als Geld projizieren.
Das Recht zur Geldschöpfung ist zu allen Zeiten das Privileg des Souveräns gewesen, wurde aber im 17. Jahrhundert vom Staat an die Banken abgegeben damit jener sich seine Kriege finanzieren konnte. Die Möglichkeit Geld aus dem „Nichts“ durch Schuldvergabe zu schöpfen, ist die historische Vorrausetzung und Grundlage unserer heutigen industrialisierten Welt. Ohne eine beliebig zu erweiternde Geldmenge, wäre es nicht möglich gewesen, die moderne Wirtschaft zu entwickeln. Die moderne Geldschöpfung ist wirklich ein illusionistisches Meisterwerk, eine alchemistische Tat im kollektiven Bewusstsein. Die moderne Welt kann nicht verstanden werden, ohne Einsicht in die illusionistische Natur der Geldschöpfung.
Warum? Jede ökonomische Tätigkeit läuft im Grunde darauf hinaus, eine aufgenommene Schuld zurückzuzahlen. Alles Geld, auch das sauer verdiente auf unserem Gehaltskonto, ist ursprünglich ein Kredit gewesen, der am Ende wieder zurückgezahlt werden möchte. Aber wie alle wissen, so folgt mit jedem Kredit auch eine Zinsforderung. Da Geld als Kredit geschaffen wird, bedeutet das für die Gesellschaft im Ganzen, dass diese Zinsforderungen nur bedient werden können, wenn wir noch mehr Schulden machen, die aber noch mehr Zinsforderungen verursachen, usw., usf. Dies ist die Beschreibung eines klassischen Teufelskreises.
Es bedeutet, dass die Zinsen von den alten Schulden mit neuen Schulden bedient werden müssen. Was für jeden Geschäftsmann ein unseriöses und betrügerisches Wirtschaften darstellt (Ponzi-Schema!), ist jedoch ein Grundgesetz in unserem Wirtschaftssystem. In der Systemtheorie ist bekannt, dass jedes System mit einer positiven Rückkopplung zum Zusammenbruch führt. Das existierende Geldsystem erzeugt einen exponentiell wuchernden Schuldenberg, d.h. die Schulden verdoppeln sich in regelmässigem Takt: 2,4,8,16,32,64,128, usw. Mit zunehmender Geschwindigkeit gerät so jedes Wirtschaftssystem in eine Forderungskrise in welcher Staaten, Organisationen und Privatpersonen nicht mehr in der Lage sind, noch mehr Geld zu leihen um das Wachstum zu erzeugen, das notwendig ist, um die Zinsen zu bedienen.
Das dysfunktionale Grundgesetz unseres Geldsystems erzeugt eine Reihe von unerwünschten Wirkungen die vor dem Zusammenbruch eines Systemzyklus besonders deutlich zutage treten: Da es per Definition nie genug Geld gibt, kämpfen alle gegen alle. Einige müssen Bankrott gehen, damit andere ihre Schulden bedienen können. Einige Staaten exportieren sich gesund auf Kosten von anderen, was Spannungen zwischen den Staaten verursacht. Die Zinsen verteilen die Guthaben in zunehmendem Masse von den Schuldnern zu den Gläubigern. Die sozialen und politischen Spannungen in den Gesellschaften nehmen daher rapide zu. Da die Schuld ja ein Leistungsversprechen ist, muss der exponentielle Zuwachs der Schulden mit einem exponentiellen Zuwachs der Leistungen bezahlt werden. Wir müssen darum mehr leisten und mehr konsumieren- und zwar um jeden ökologischen und sozialen Preis. Wachstum, Wachstum, Wachstum ist darum das autistische Mantra aller Ökonomen und Politiker – nur damit das Schuldsystem nicht zusammenbricht.
Absurderweise vermehrt sich jedoch unsere globale Schuld, je mehr wir versuchen ihrer Forderung zu entsprechen. Das System muss unweigerlich in einem Zusammenbruch enden, weil die Schulden rein mathematisch lawinenartig gegen Unendlichkeit wachsen. Unterdessen wächst der Leistungsdruck auf Mensch, Gesellschaft und Natur, die in zunehmendem Masse aus der Balance geraten, weil der Wachstumszwang des Geldsystems keine Erholung der Ressourcen erlaubt. Die Gesellschaften sind angehalten zu immer stärkerer Ausbeutung, Rationalisierung und Sparmassnahmen, um die steigenden Schulden bedienen zu können. Gleichzeitig sollen wir alle fleissig konsumieren, damit die Wirtschaft wächst und die Zinsen bezahlt werden können. Diese Gleichung kann auf Dauer nicht aufgehen.
Es gibt, mit anderen Worten, einen zwingenden selbstdestruktiven Mechanismus in unserem monetären Tauschsystem. Ein Schuldencrash bedeutet zugleich einen Zusammenbruch unseres Geldsystems. Eine Gesellschaft ohne funktionierendes Tauschsystem ist eine Gesellschaft ohne funktionierende Arbeitsteilung. Die wirtschaftliche Tätigkeit kommt zum Erliegen oder wird sehr stark beeinträchtigt. Die Gesellschaften geraten damit in eine akute existentielle Krise. Not und aufkeimender Extremismus bedrohen daraufhin die demokratische Ordnung, wie es schon einmal geschah. Das heutige Geldsystem stellt darum eine ernsthafte gesellschaftliche Bedrohung dar. Die Politik muss erkennen, dass wir unser Geldsystem reformieren müssen. Die Marktwirtschaft braucht ein neues Operativsystem, das alte ist eine Gefahr für Mensch und Natur. Damit dies geschieht, bedarf es Druck von „unten“, denn Staat und Banken sind leider historisch zu sehr verflochten, um sich in diesem Falle um das Wohl der Gesellschaft kümmern zu können.
Da eine Diskussion über das Geldsystem die herrschenden Machtverhältnisse in Frage stellen würde, herrscht ein allgemeines Denkverbot zu diesem Thema. „ Des Kaisers Kleider“ sind das ultimative Machtmittel. Da ist es angebracht, nicht darüber zu reden. Der Zusammenbruch des Systems ist auf der anderen Seite nur eine Frage der Zeit, das ökologische, soziale und ökonomische Chaos schon absehbar.
Die offenbare Gefahr ist, dass die etablierten Parteien dieses wichtige Thema (wieder einmal) ignorieren und es den Parteien am rechten Rand überlassen. Das Volk fühlt nämlich sehr genau, dass es vom herrschenden System übers Ohr gehauen wird und es die Zeche für eine Party bezahlen muss, für die es nicht einmal eingeladen wurde. Wenn keine der etablierten Parteien es wagt, das Thema aufzugreifen, läuft unsere Demokratie (zu Recht) Gefahr als Lügenfassade für eine betrügerische Geldherrschaft von wachsenden Teilen der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. Die Folge ist, dass sich weite Teile der Bevölkerung von der Demokratie abwenden und unter den Einfluss von rechts gerichteten Demagogen geraten, die die Sehnsucht des Volkes nach einer gerechteren Gesellschaftsordnung für ihre autoritären Gelüste ausnutzen. Wir erleben diesen Vertrauensverlust in die Demokratie bereits in vielen Ländern, der Aufmarsch der neuen Rechten ist ein deutliches Zeichen hierfür. Vieles erinnert an die Dreissiger Jahre und keine der etablierten Parteien scheint aus der Geschichte ihre (geldpolitischen) Lehren gezogen zu haben. Das ist sowohl gefährlich als auch eine Beleidigung der menschlichen Intelligenz.
Es gibt wenige löbliche ausserparlamentarische Initiativen die das Thema aufgreifen und meines Wissens nur eine einzige, die Vollgeldreform in der Schweiz, die zu einer Gesetzesänderung via Volksabstimmung aufruft (monetative.ch). Volksabstimmungen sind in parlamentarischen Demokratien wie der deutschen kaum möglich. Daher ist eine Gesetzesinitiative von Parteien und deren Abgeordneten abhängig, die sich ihrer Aufgabe als Vertreter der Interessen des Volkes voll bewusst sind und diese nicht dem Diktat des Geldsystems unterordnen.
Ich wünsche mir, dass wir uns im Moment der kommenden Not der Ironie bewusst werden, dass die globale Schuld immer nur eine Projektion und eine Illusion im kollektiven Bewusstsein war. Eine Illusion kann nicht bekämpft werden, ohne sie zu bestätigten. Was wir wirklich brauchen, ist ein schallendes Gelächter über „des Kaisers Kleider“ durch eine allgemein befreiende Einsicht, dass Schuldgeld eigentlich nur durch einen Taschenspielertrick entsteht. Wir hatten und haben immer alle Mittel in der Hand um ein neues, gerechtes und nachhaltiges Geldsystem zu konstruieren. Nur ein nachhaltiges Geldsystem gibt uns die Möglichkeit, eine nachhaltige Wirtschaft und damit eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft zu bauen.