Finanzmärkte kontrollieren Regierungen!

Von den Handelsabkommen zwischen der EU, den USA und Kanada profitieren die Großkonzerne…

Ein Gespräch mit Norbert Häring:

Sie gehen nicht davon aus, dass CETA bald umgesetzt wird. Warum?

Weil es in verschiedenen Ländern Schwierigkeiten mit den Parlamenten gibt. Das wallonische Parlament hat der belgischen Regierung verboten zuzustimmen. Das ist meines Wissens verbindlich. Rumänien und Bulgarien haben Probleme mit der Tatsache, dass Kanada keine Visumfreiheit erlaubt. Sie machen ihre Zustimmung davon abhängig. Widerstände gibt es in mehreren Ländern. Ich sehe deshalb nicht, dass Einstimmigkeit unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hergestellt werden kann.

Befürchten Sie nicht, die Stimme Deutschlands wird so starkes Gewicht haben, dass die Bundeskanzlerin Einstimmigkeit unter den EU-Mitgliedern zugunsten von CETA herzustellen vermag?

Man kann das nicht ausschließen. Es gibt sehr oft etwas, womit man kleine Länder unter Druck setzen kann. Anders geht es auch gar nicht, bei einem so großen Staatenbund, der auf Einstimmigkeit beruht. Meine Einschätzung ist, dass dies aber eher nicht passieren wird, weil überall die Parlamente mitsprechen und man die Parlamentarier nicht so leicht umstimmen kann. Aber sicher sein kann man sich da natürlich nicht.

Was befürchten Sie, wenn CETA vorläufig in Kraft gesetzt werden würde?

Das größte Problem ist, dass nicht ernsthaft darüber debattiert wird. Es gab ja noch keine nennenswerte parlamentarische Diskussion über die Inhalte. Das vorläufige Abkommen wird auf administrativer Ebene entschieden, von den Regierungen und von der EU-Kommission. Und das, obwohl es dabei sehr schwierige juristische Feinheiten zu beachten gibt, was die nationalen Zuständigkeiten betrifft. Man kann davon ausgehen, dass die EU-Kommission nicht wirklich ein neutraler Entscheider ist. Das wird aus den Protokollen deutlich, deren Inhalt durchgesickert ist. Die Kommission will möglichst viel vorläufig in Kraft setzen und verlangt dabei Pragmatismus von den Regierungen. Dieses Verhalten ist durchaus in dem Sinne zu verstehen: Nehmt es mal nicht so genau mit der Gesetzgebung und den Vorbehalten der EU-Mitgliedsländer.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat TTIP für tot erklärt. Ist CETA aber nicht nur eine Blaupause für das Handelsabkommen mit den USA?

Blaupause würde ich nicht sagen, sondern eher der Ersatz. Meine Lesart ist, dass die USA es aufgegeben haben, TTIP durchzusetzen, weil der Widerstand zu groß ist. Washington verlässt sich darauf, dass alle global agierenden US-Unternehmen die Möglichkeit bekommen, CETA zu nutzen, weil sie in aller Regel Tochterunternehmen in Kanada haben. Europäische Unternehmen sollen im Gegenzug jedoch Kanada nicht nutzen, um einen Marktzugang in den USA zu bekommen.

Die CETA-Regeln für den Marktzugang sind sehr attraktiv für US-Investoren, weil sie Rechte bekommen, ohne andererseits europäischen Unternehmen etwas zu geben. Das erklärt für mich, warum die USA sich in den Verhandlungen in letzter Zeit so starrsinnig zeigen, und warum umgekehrt die deutschen und europäischen Unternehmensverbände und Unternehmen sehr darauf drängen, dass TTIP umgesetzt wird.

Wieso setzt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Freihandelsabkommen ein, wenn deutsche Unternehmen nicht die gleichen Rechte erhalten sollen wie Konzerne aus den USA und Kanada?

Zunächst einmal ist Freihandelsabkommen ein falscher Name. Es suggeriert, dass es dabei vor allem um freieren Handel geht. Aber das ist nur ein kleiner Teil. Der Handel ist ja schon sehr frei. Zölle gibt es kaum noch. Bei TTIP und CETA geht es um Investorenschutz, Marktzugang, besondere Rechte für Investoren. Man könnte von Handels- und Investitionsschutzabkommen sprechen.

Bei denen den Europäern Nachteile erwachsen würden. Warum hat die EU dennoch ein solch starkes Interesse am Vertragsabschluss?

Es ist gerade in Europa zunehmend üblich, die Interessen der großen nationalen Unternehmen mit den Interessen eines ganzen Landes gleichzusetzen. Das wird dann Wirtschaft genannt, als ob nur die großen Konzerne die Wirtschaft umfassen würden. Schaut man auf die große Abhängigkeit in Deutschland vom Export, dann ist eine solche Haltung nachvollziehbar. Gleichzeitig ist sie aber auch sehr problematisch, weil die Strategie permanent Exportüberschüsse zu erzielen, auf keine Weise nachhaltig ist. In der EU werden uns die Auswirkungen deutlich vor Augen geführt.

Sie machen die Exportstrategie für die Euro-Krise mitverantwortlich. Wo muss wirtschaftspolitisch umgesteuert werden?

Sogar die Europäische Zentralbank hat kürzlich erstmals festgestellt, Deutschland müsse die Löhne erhöhen. Mehr auszugeben ist schon länger Konsens außerhalb Berlins. Was die EZB-Politik angeht, müssten die Förderung und das Schwelenlassen der Staatsschuldenkrise aufhören. Da sehe ich die Hauptschuld bei der EZB. Weil sie besonders darauf drängt, dass die Finanzmärkte die Kontrolle über die Regierungen ausüben, indem die Anleiherenditen hochschießen, wenn die Regierungen nach Ansicht dieser Märkte unsolide wirtschaften. Die EZB hat die Hoheit darüber, was die Finanzmärkte denken oder tun, weil letztlich alles daran hängt, ob ein Land den Rückhalt der EZB hat oder nicht. Wenn sie signalisiert, dass sie die Anleihen dieses Landes kaufen wird, dann sehen auch die Märkte kein Problem, und die Regierung kann weiter machen. Wenn die EZB aber signalisiert, dass sie ihre Unterstützung entzieht oder entziehen könnte, dann gehen sofort die Renditen hoch, weil die Regierung mehr für ihre Schulden zahlen muss. Sie wird sehr schnell sehr nervös werden und umsteuern. So dass letztlich die EZB zur tatsächlichen Regierung in Europa wird, weil sie jede Regierung in die Knie zwingen kann. Das haben wir in Griechenland gesehen. Unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik, durch die der Staat immer kleiner wird, ist letztlich die Agenda der EZB. Deshalb sorgt sie dafür, dass die Krise weiter schwelt und greift immer nur ein, wenn die Währungsunion insgesamt in Gefahr gerät.

Was macht die EZB falsch?

Aus meiner Sicht funktioniert dieses Quantitative Easing, die Käufe von Anleihen und sonstigen Wertpapieren, leidlich bis schlecht. Es funktioniert darüber, dass die Preise von Vermögenswerten nach oben getrieben werden. Das ist auch das erklärte Ziel. Zumindest die Bank von England, die ja das gleiche macht, ist weniger genant dabei, zu benennen, was das Ziel ist. Letztlich geht es darum, dass die Vermögenden reicher werden und werden sollen, und nur ein bisschen was in die übrige Wirtschaft runtertröpfelt.

Was wäre ein Ausweg aus der Krise?

Die EZB könnte das Geld direkt an die Bürger schicken, per Scheck zum Beispiel. Wenn einem das zu extrem ist, lässt es sich auch so verpacken, dass es wie im normalen Prozedere aussieht, indem die EZB Anleihen der Europäischen Investitionsbank, EIB, kauft und die EIB das Geld für ein großes Investitionsprogramm in Europa ausgibt. Alles was die Geldschöpfungsmacht der EZB an den Banken vorbei nutzt, würde besser funktionieren als das, was die EZB jetzt macht.

Würde die Abschaffung des Bargelds aus der Euro-Krise führen?

Nein, das würde genau das Gegenteil bewirken. Man kann die Leute wunderbar enteignen damit. Man kann sie zum Geldausgeben zwingen. Aber letztlich macht es das Problem größer, das uns in die Krise geführt hat: die übermäßige Abhängigkeit von den Geschäftsbanken. Würde das Bargeld abgeschafft, hätten die Bürger gar keine Möglichkeit mehr, das Geld aus dem Bankensystem herauszuholen. Die privaten Geldinstitute müssten sich dann nicht mehr um ihre Glaubwürdigkeit beim Kunden kümmern und könnten viel größere Räder drehen. Was die Banken dann an gefährlichen Investments und Blasen schaffen könnten, wäre noch viel größer als bisher.

Sie haben dem Präsidenten des »Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung«, Christoph Schmidt, Betrug vorgeworfen. Er hatte argumentiert, die Bevölkerung nehme die Einkommensverteilung falsch wahr.

Ich unterstelle ihm, dass er schon weiß, dass es nicht seriös ist. Dass sie durch verzerrte Darstellung und unwissenschaftliches Vorgehen Unternehmensinteressen vertreten. Sie haben kein Interesse an der Feststellung, dass es eine zu große Ungleichverteilung zugunsten des Kapitals gibt. Das leugnen sie letztendlich mit extrem windigen Methoden, wie sogar ein Mitglied der Ethikkomission des Ökonomenverbands »Verein für Socialpolitik« festgestellt hat. Das Spektakuläre daran ist, dass genau dieser Verband Herrn Schmidt mit einem Preis geehrt hat.

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