Die vom EU-Parlament beschlossene Bankenaufsicht ist ein historischer Schritt: Nun ist der Weg frei für die direkte Banken-Rettung aus dem ESM. Der Deutsche Bundestag hatte bei seiner Zustimmung noch gehofft, dass der ESM dafür nicht verwendet werden wird. Aber so ist das, wenn man die Souveränität leichtfertig aus den Händen gibt. Der deutsche Steuerzahler sollte sich warm anziehen.
Um vom EU-Parlament die Zustimmung zur Bankenaufsicht im Rahmen der geplanten Banken-Union zu erhalten, wollten die Parlamentarier ausführlichere Auskünfte von den EZB-Aufsehern erhalten.
Daran entzündete sich ein Streit, der in einem Kompromiss hinsichtlich Transparenz und Kontrollrechte des Parlaments endete.
Ursprünglich wollte der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Parlaments Einsicht in die schriftlichen Sitzungsprotokolle des Aufsichtsgremiums der EZB erhalten. Dies ist der Kompromissformel zum Opfer gefallen.
Der Kompromiss fand eine überwältigende Mehrheit im EU-Parlament:
556 Ja-Stimmen bei 54 Gegenstimmen und 28 Enthaltungen.
Wie sieht die Kompromissformel hinsichtlich des Kontrollrechts des Europäischen Parlaments konkret aus?
Den Deutschen Wirtschafts Nachrichten liegt ein sieben-seitiges Papier vor, die Rechte des Parlaments beschreibt:
Auswahl des Chef-Aufsehers der Bankenaufsicht sowie des Stellvertreters:
Was den Posten des Chef-Aufsehers der neuen Behörde betrifft, so wird die EZB dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments eine Shortlist bzw. Vorschlagsliste mit mindestens zwei Kandidaten vorlegen. Die Shortlist soll dem Finanzausschuss drei Wochen vorliegen, bevor die EZB diese Vorschlagsliste veröffentlicht. Über die Shortlist wird im Ausschuss sowie im Plenum abgestimmt. Sollte der Kandidat keine Zustimmung finden, muss die EZB einen zweiten Kandidaten auf der Shortlist benennen oder die zu besetzende Stelle des Chef-Aufsehers neu ausschreiben. Die Neuausschreibung sollte in diesem Fall innerhalb zwei Wochen erfolgen. Dasselbe ist für den Stellvertreter des Chef-Aufsehers vorgesehen.
Information:
Die EZB soll dem Finanzausschuss einmal jährlich einen Bericht vorlegen. Zusätzlich soll der Chef-Aufseher der Bankenaufsicht zweimal im Jahr zu einem Hearing des Finanzausschusses des EU-Parlaments kommen. Darüber hinaus darf der Ausschussvorsitzende den Chef-Aufseher zu einem „nicht-öffentlichen“ Dialog anfordern. In beiden Fällen gilt die Schweige- bzw. Geheimhaltungspflicht. Schriftliche Protokolle hierüber sind nicht vorgesehen. Sollte der EZB-Rat einer Entscheidung der Banken-Aufseher nicht zustimmen, so wird EZB-Präsident Draghi den EU-Parlamentsvorsitzenden Schulz davon in Kenntnis setzen. Eine vollständige Information über die Sitzungen des EZB-Rats ist nicht festgesetzt.
Sitzungsprotokolle des Aufsichtsgremiums:
Die Protokolle der Sitzungen der Kommission der Bankenaufsicht sind geheim. Das Europaparlament erhält jedoch eine detaillierte Zusammenfassung der Diskussionen. Inoffizielle Informationen über entsprechende Banken, die die Öffentlichkeit nicht erfahren sollen, werden dem Europaparlament nicht übermittelt.
Man mag im Grunde die Vertraulichkeit und Geheimhaltungspflicht damit verbinden, dass Interna über gewisse Banken außen vor bleiben sollen. Ansonsten könnten diese Informationen die Runde in die Öffentlichkeit machen. Dies könnte, falls eine Bank abgewickelt werden muss, oder deren Pleite wahrscheinlich ist, zu einem Bankrun führen. Die Erfahrungen mit Zypern lassen diesbezüglich grüßen.
Dennoch bleiben die entscheidenden Fragen ungeklärt. Wie sehen die erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen aus? Soll das Europaparlament hierfür die Rahmenbedingungen schaffen?
Dem Europaparlament fehlen hierfür die Entscheidungsbefugnisse, da sie kein Gesetzgebungsorgan ist. Wer wird also für alle Länder im Euroraum und jenen im übrigen Europa, die sich der Bankenunion anschließen wollen, entsprechende Regeln in Kraft setzen? Und wie ist sie legitimiert?
Besitzt die Bankenaufsicht respektive die EZB dafür eine demokratische Legitimation?
Der Grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold, der sich wenigstens für die Minimal-Kontrolle eingesetzt hat, benennt jedoch die historische Dimension des Beschlusses: „Die ist der weitreichendste Schritt in der EU, den es seit der Einführung gegeben hat.“
Denn: Die Bankenaufsicht bedeutet, dass nun unwiderruflich die Voraussetzung geschaffen wurde, Banken im Euroraum aus dem aus Steuergeldern finanzierten ESM zu retten.
Der ESM als „permanenter Rettungsschirm“ wurde ins Leben gerufen, um einzelne Staaten im Euroraum zu unterstützen. Eine Kapitalisierung der Banken war definitiv nicht vorgesehen.
Im Juni des vergangenen Jahres beschlossen die EU-Finanzminister auf einem EU-Gipfel, dass Finanzmittel aus dem ESM direkt an Banken fließen können, sobald eine Bankenaufsicht etabliert ist. Hintergrund war, dass Bankenrettungen nicht mehr den jeweiligen Staatshaushalt belasten sollen. Der frühere Ministerpräsident Mario Monti und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy waren die treibenden Kräfte. Kanzlerin Merkel willigte unter der Bedingung ein, dass zuvor eine europäische Bankenaufsicht geschaffen wird.
Nun sind die Bedingungen für direkte Bankenkapitalisierungen durch den ESM erfüllt. Die Bankenaufsicht soll ab Herbst 2014 funktionsfähig sein. Somit stellt sich die Frage: werden nun, da das Europaparlament seine Zustimmung zur Bankenaufsicht gegeben hat, bereits Gelder fließen, obwohl das Gremium erst ab Herbst 2014 arbeitsfähig ist?
Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Slowenien sind die Kandidaten, die bereits im Vorfeld Lobby-Arbeit betrieben haben, ihre Banken aus dem ESM retten zu dürfen, um Staatspleiten zu umgehen.
Nach der Bundestagswahl werden wir die Details erfahren…