Barzahlungs-Obergrenzen, wie sie deutschen Finanzpolitikern vorschweben, wären mit großer Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig. Sie verstießen gleich gegen mehrere im Grundgesetz verankerte Freiheitsrechte der Bürger. Das schreibt der international angesehene Rechtsexperte Professor Dr. Arsène Verny in einem jetzt veröffentlichten Gutachten.
Das Aus für die 500-Euro-Note hat die EZB vor Kurzem gleichsam im Handumdrehen beschlossen. Ein Bargeldverbot, oder die Einführung von Höchstgrenzen für Bargeldzahlungen, könnte ungleich schwieriger werden, obwohl in Berlin und Brüssel daran mit Hochdruck gearbeitet wird. In Schäubles Finanzministerium plant man ein Barzahlungs-Limit in Höhe von 5000 Euro. Diese Grenze könnte später unter Hinweis auf eine notwendige Harmonisierung innerhalb des Euro-Raums gesenkt werden, zum Beispiel auf 3000 Euro.
Wie schon vor Wochen aus diplomatischen Kreisen verlautete, setzte vor allem die französische Regierung nach den Terroranschlägen von Paris Deutschland unter Druck, sobald wie möglich (vermutlich nach den Bundestagswahlen) Bargeld-Restriktionen einzuführen.
Schon jetzt scheint klar zu sein: Sollte der Bundestag Höchstgrenzen für Bargeldzahlungen zustimmen, ist mit einer Klagewelle vor dem Bundesverfassungsgericht zu rechnen. Und die Erfolgsaussichten in Karlsruhe sind nicht schlecht, was ein aktuell veröffentlichtes Gutachten des renommierten Rechtsexperten Professor Dr. Arsène Verny belegt. In Auftrag gegeben hatte dieses juristische Gutachten die Deutsche Edelmetall-Gesellschaft (DEG). Deren Vorstandsvorsitzender Waldemar Meyer kündigte bereits an, seine Gesellschaft werde »im Verbund mit weiteren Partnern« vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, sollte ein Gesetz zur Einführung von Barzahlungs-Höchstgrenzen kommen.
Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
Diese Ankündigung stützt sich auf das Rechtsgutachten von Professor Verny, das zu einem klaren Ergebnis kommt: Eine Bargeld-Obergrenze verstoße gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und sei somit verfassungswidrig. »Durch die Maßnahme wird das Zahlen mit Bargeld diskreditiert und mit Illegalität verbunden. Bereits der Besitz größerer Bargeldmengen und der Versuch, damit zu zahlen, wird verdächtig erscheinen und im Ergebnis die normale Freiheitsausübung von Personen weiter beschränken«, schreibt Professor Verny, der als Rechtsexperte für Internationales sowie Europäisches Wirtschaftsrecht und Prozessrecht für Regierungen und multinational agierende Unternehmen tätig ist.
Sein Wort hat Gewicht. Immerhin betreute Professor Verny im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen den Rechtsangleichungsprozess unter anderem von Tschechien und der Slowakei.
Nach seiner Auffassung verstoßen Bargeld-Höchstgrenzen gleich in mehrfacher Hinsicht gegen die deutsche Verfassung. So stellten sie einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Wenn nämlich größere Beträge nur noch mit elektronischen Bezahlsystemen beglichen werden könnten, hinterlasse der Bürger zwangsläufig »elektronische Spuren« in großem Umfang. Aus der Aufbereitung dieser Daten könne auf das Leben von Personen geschlossen werden, schreibt der Rechtsexperte.
Zum anderen stellte ein solches Gesetz einen erheblichen Eingriff in die Privatautonomie dar. Die Bürger wären gezwungen, höhere Beträge durch Banküberweisung oder mithilfe von elektronischen Bezahlsystemen zu begleichen. Sie wären also auf Finanzdienstleister angewiesen, auf deren Vertragsbedingungen und Gebührenpolitik sie keinen Einfluss hätten. Darüber hinaus verstießen Bargeld-Restriktionen gegen das in Artikel 14 des Grundgesetzes garantierte Recht auf Eigentum.
Zur Begründung führt Professor Verny ein interessantes und bisher noch wenig beachtetes Argument ins Feld. Um größere Summen zu zahlen, müsse man künftig Bargeld zunächst auf sein Girokonto einzahlen. Das Eigentum des Bürgers an einer Sache (Bargeld) werde dadurch in einen Anspruch gegen die Bank (Buchgeld) gewandelt.
Bürger werden zu »Bank- und Kontosklaven«
Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Die Banken könnten fortan für jede Transaktion hohe Gebühren berechnen, da der Kunde keine Möglichkeit mehr hätte, die Rechnung mit Bargeld zu begleichen. Im Falle einer Kontopfändung – zum Beispiel durch das Finanzamt – hätte der Bürger keinen oder nur noch einen sehr eingeschränkten Zugriff auf sein (Buch) Geld. Gleiches gelte für Krisensituationen oder den Fall einer Insolvenz des Kreditinstituts. In solchen Situationen sei die Verfügbarkeit des Buchgeldes stark eingeschränkt oder ganz unmöglich, wie die Erfahrungen in Zypern und Griechenland belegten, stellt Professor Verny fest. Generell erhöhe ein Bargeld-Limit die Abhängigkeit des Bürgers von der Bank.
Schließlich würden Barzahlungs-Obergrenzen einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen, da einige Branchen deutlich benachteiligt würden, in denen Bargeld bislang eine wichtige Rolle spiele, zum Beispiel der Gebrauchtwagenhandel, Hotels und Juweliere. Tatsächlich klagen zum Beispiel französische Luxusmarkenhändler. Seit Einführung der Bargeld-Obergrenze wanderten zahlreiche Kunden nach Deutschland oder Großbritannien ab.
All diesen Eingriffen in unsere Grundrechte stehen so gut wie keine positiven Effekte gegenüber. Nach Meinung von Experten der Bundesbank brächten Bargeld-Restriktionen kaum nennenswerte Vorteile bei der Bekämpfung von Schattenwirtschaft und Kriminalität.
Ganz im Gegenteil. Als in Italien unter Regierungschef Mario Monti eine Bargeld-Obergrenze von 1000 Euro eingeführt wurde, stieg tendenziell sogar die Steuerhinterziehung. In manchen Hotels stellte man den Gästen eben nur Rechnungen bis zum Schwellenbetrag von 1000 Euro aus und kassierte den Rest nach der BAT-Methode (»Bar auf Tatze«) ohne Rechnung. Unter Ministerpräsident Renzi wurde die Barzahlungs-Obergrenze dann wieder auf 3000 Euro angehoben.
DEG-Vorstandsvorsitzender Waldemar Meyer spricht denn auch von politischen Scheinargumenten, wenn eine Bargeld-Obergrenze als Antiterror-Maßnahme begründet werde. In Wirklichkeit gehe es um etwas ganz anderes. Mit Einführung des Euro habe Deutschland die Währungshoheit nach Brüssel abgegeben. Nur wenn es um die angebliche »Abwehr von Gefahren« gehe, dürfe ein EU-Land einzelne währungspolitische Maßnahmen durchführen, sagt Meyer. Und der DEG-Vorstandsvorsitzende fügt eine rhetorische Frage an: »Glaubt denn irgendwer ernsthaft, dass Terroristen nicht mehr an Bomben kommen, wenn sie Beträge über 5000 Euro nur noch per Überweisung bezahlen können?«