Der Weg zur Überwindung des Leidens wird im Buddhismus durch acht Prinzipien beschrieben, die wie folgt lauten:
∙ Rechte Ansicht / Rechte Einsicht
∙ Rechtes Motiv / Rechte Gesinnung
∙ Rechte Rede
∙ Rechtes Tun
∙ Rechter Lebensunterhalt
∙ Rechte Anstrengung
∙ Rechte Achtsamkeit
∙ Rechte Konzentration / Meditation
Die Bezeichnung „rechtes“ meint „auf das Ganze bezogen“, „angemessen“, „rechtschaffen“, „vollständig“ oder „weder einseitig noch zwiespältig“. Der Weg des Buddhismus ist ein Weg der Mitte, nicht der Extreme. Die ersten beiden Regeln beziehen sich auf das Denken und die Gesinnung, die Ausgangspunkte für jede Handlung. Die Regeln drei bis sechs beziehen sich auf menschlich-sittliches, ethisches Verhalten, und die beiden letzten Regeln auf mentales und geistig-spirituelles Training, den Zugang zu erweitertem Bewusstsein und der vertieften Betrachtung der Welt.
Rechte Ansicht / Rechte Einsicht
Die Regel der „rechten Ansicht“ soll dazu anleiten, Dinge möglichst so zu sehen, wie sie wirklich sind. Auch wenn es im Buddhismus keine Wahrheit im Objektiven Sinne gibt, ist ein subjektives Wahrnehmen häufig ein sich selber täuschender oder ein verzerrender Blickwinkel. Die Dinge nicht zu sehen, wie sie sind – sondern wie sie sein sollten – geht Hand in Hand mit Verdrängung, Beschönigung, Verleugnung und nicht wahrhaben wollen.
Zu jedem Sachverhalt gibt es zahlreiche Standpunkte. Die Regel der rechten Ansicht oder Einsicht meint auch, den Standpunkt verlassen zu können, der eigene Vorteile bietet, aber vielleicht nicht der Wahrheit entspricht. Einen Sachverhalt von verschiedenen Seiten anzuschauen, bedeutet frei zu sein von einer Identifiziertheit mit der eigenen Ansicht und dazu imstande, einen Schritt auf andere Menschen zuzugehen, um ihre Perspektiven wirklich zu verstehen. Rechte Ansicht und Einsicht zu leben, heißt, sich um einen unverstellten Blick auf die Wahrheit zu bemühen.
Rechtes Motiv / Rechte Gesinnung
Dieser Hinweis der buddhistischen Lehre meint, man solle die Motive, aus denen man handelt, erst hinterfragen und sich der wahren Absicht bewusst werden. Häufig sind die Motive hinter den äußeren Motiven andere, versteckte Absichten, mit dem Ziel etwas Bestimmtes für sich selbst zu erreichen. Zum Beispiel Gutes zu tun, um geliebt zu werden oder Abhängigkeit zu erzeugen. Sich die Motive bewusst zu machen, die zu Handlungen führen, heißt auch, das Spiel von Opfer und Täter zu verlassen, die einander bedingen. Sich klar zu werden darüber, ist der Beginn und die Vorraussetzung für eine Verhaltensänderung und eine neue innere Haltung.
Zuerst sollten die Absichten frei von persönlichem Streben nach Vorteil und von Unehrlichkeit sein, ehe gehandelt wird. Ein rechtes Motiv führt zu Überzeugung und totaler Authentizität. Das Tun kommt aus innerer Überzeugung, das Gefühl des Opfer-Daseins und die Erwartung der Dankbarkeit verschwinden. Dann ist das Tun voller Sinn und Freude, Güte und Frieden.
Rechte Rede
Die rechte Rede bedeutet im Buddhismus, eine Sprache zu benutzen, die frei von Hass, Feindschaft, Uneinigkeit und Zwietracht ist. Das bedeutet, auf Lüge, Verleumdung, Schmeicheleien, leeres Geschwätz und Klatsch zu verzichten. Rechte Rede meint auch, keine niederen Instinkte – wie Sensationsgier oder Gewalt – zu schüren und stattdessen ehrlich, friedfertig, heiter und wertschätzend über andere und mit anderen Menschen zu reden. Sie hält sich an die Tatsachen und achtet auch darauf, richtig verstanden zu werden.
Rechtes Tun
Das rechte Tun ist frei von Furcht, handelt zum Wohle aller und immer den Umständen angemessen. Alles, was Frieden, Ruhe und Harmonie erzeugt, was zu Erkenntnis, Weisheit und Wohlbefinden beiträgt, ist rechtes Tun. Es respektiert den freien Willen von anderen und sich selbst, ist jedoch kein selbstgefällig-tugendhaftes Handeln. Im Buddhismus geht es immer um die Erlangung von Weisheit, aus der das Handeln entspringt.
Zur Unterstützung auf dem Weg kennt der Buddhismus fünf Sittenregeln:
∙ nicht töten
∙ nicht stehlen
∙ keinen unerlaubten Geschlechtsverkehr (Missbrach, Übergriff)
∙ nicht lügen
∙ berauschende, suchterzeugende Mittel meiden (Abhängigkeit macht unfrei).
Eingriffe in die Würde und Freiheit von anderen sollen unterlassen werden. Achtung und Wohlwollen und der Respekt vor dem Leben sind die obersten Prinzipien. Jeder Mensch muss sein Tun vor allem vor sich selbst verantworten können und nicht nur aus Angst vor Strafe etwas unterlassen.
Alle Regeln des Buddhismus sind jedoch keine Ge- und Verbote im moralischen Sinne, sondern Regeln der Menschlichkeit und der Liebe. Menschen mit offenem Herzen leben ganz natürlich, ohne anderen zu schaden, verbunden mit der Schöpfung und allen Lebewesen, und ohne Regeln zu brauchen, nach denen sie handeln sollen. Ihr Handeln gründet auf Einsicht und tiefem inneren Verstehen.
„Heilsames“ Verhalten im buddhistischen Sinne erzeugt Frieden, Ruhe, Harmonie und führt zu Weisheit und Wohlbefinden. Der Buddhismus zielt ab auf die Befreiung von Leiden, auf Gesundheit und Glück im Leben. „Mögen alle Wesen glücklich sein“ betrifft auch das eigene Selbst, denn jeder Mensch, der selbst glücklich ist, macht die gesamte Welt zu einer glücklicheren Welt.
Gesundheit und materieller Wohlstand sind Nebenprodukte des Tuns in diesem Sinne. Reichtum im Sinne des Buddhismus ist nicht von Haus aus abzulehnen. Materielle Güter sind nur das, wofür man sie einsetzt. Reichtum kann andere unterstützen, immer natürlich gesetzt den Fall, dass er auch ehrlich erworben wurde. Generell sind Eigenschaften wie Eigenverantwortung sowie materielle Unabhängigkeit im Buddhismus erstrebenswert, um sich selbst erhalten zu können.
Rechter Lebensunterhalt
Diese Regel stellt klar, dass der Lebensunterhalt mit einer Tätigkeit verbunden sein sollte, die keinem Lebewesen schadet. Zu vermeiden in diesem Zusammenhang wären zum Beispiel der Handel mit todbringenden Waffen und mit suchterzeugenden Mitteln; Betrügereien und Geld verdienen durch Verhalten, das andere schädigt; und das Töten von Tieren sowie der Handel mit Schlachttieren. Im Zusammenhang mit dem Essen von Tieren bedeutet das: Fleisch essen ist nicht verboten, falls es notwendig ist. Nahrung, die gewonnen wird, ohne Leben zu zerstören, ist jedoch Vorzug zu geben. Werden Tiere getötet, soll das rasch und leidenschaftslos, ohne Gier und Hass geschehen und auch immer in Maßen.
Unter rechtem Lebensunterhalt werden vor allem Berufe verstanden, die weder die fünf Sittenregeln verletzen, noch daraus Nutzen ziehen.
Rechte Anstrengung
Darunter versteht man geistige Anstrengung, die sowohl Gedanken, als auch Gefühle und Emotionen umfasst. Gedanken und Gefühle sind die Nahrung des Geistes. Körperliche Hygiene ist meistens selbstverständlich, aber geistige Hygiene, geistiges Maßhalten und sich Reinigen von destruktiven Gedanken braucht Disziplin und Bewusstheit. Seelenhygiene umfasst auch eine bewusste Entscheidung, was wir geistig aufnehmen und welche Eigenschaften wir kultivieren möchten. Das braucht Bemühen.
Rechte Anstrengung meint in diesem Zusammenhang, Eigenschaften wie Wohlwollen, Güte und Mitgefühl, Gleichmut und Mitfreude einzuüben, die im buddhistischen Leben einen sehr hohen Stellenwert haben. Wohlwollen meint zum Beispiel eine offene, positive Geisteshaltung anderen Menschen gegenüber, Toleranz und Wertschätzung.
Das Bemühen, ein Verhalten einzuüben und zu leben, das andere unterstützt, ist ein meditatives Training und verlangt Ausdauer und den Willen, sich seiner selbst bewusst zu werden. Vorerst beginnt das Training bei sich und bei wohlwollendem Verhalten auch sich selbst gegenüber, also sich selbst so zu lieben, wie man jetzt ist, mit all seinen Fehlern und Schwächen. Erst diese Basis der Selbstliebe lässt sich auf andere ausdehnen und auch die Wirklichkeit annehmen, so wie sie ist. Sich selbst zu lieben bedeutet nicht, nur noch den eigenen Vorteil zu suchen, sondern verbunden mit allem, was existiert, bei sich selbst zu beginnen. Jede Veränderung im Außen beginnt mit einer Veränderung in uns selbst.
Mitgefühl meint im buddhistischen Sinne, nicht mit zu leiden, sondern mit Mitgefühl anwesend zu sein und zu unterstützen. Mitfreude ist die Fähigkeit, am Glück von anderen teilzuhaben, sich mit ihnen zu freuen, ohne sie zu beneiden oder das Glück zu missgönnen. Gleichmut wiederum meint, ein inneres Gleichgewicht finden und in der Mitte zu sein und bleiben, was immer geschieht. Das ist ein Weg zu innerem Frieden.
Rechte Achtsamkeit und rechte Konzentration / Meditation
Sowohl Achtsamkeit als auch Konzentration im rechten Sinne beziehen sich auf ein Training des Bewusstseins, das auch meditativ ist. Alle anderen Pfade sind die Vorstufen zu den letzten beiden Pfaden des achtfachen Pfades. Hier geht es nicht mehr um Denken und Handeln im Alltag, sondern um die Bewusstheit über die emotionalen und mentalen Prozesse des Daseins. Grundlagen der buddhistischen Meditation sind Achtsamkeit, Beobachtung, Bewusstheit und wache geistige Wahrnehmung des Seins. Achtsamkeit ist auf vier verschiedenen Ebenen möglich:
∙ Körper (materielle Ebene) – z.B. Achtsamkeit auf den Atem
∙ Gefühle, Empfindungen (emotionale Ebene)
∙ Gedanken, Geist (mentale Ebene)
∙ Dharma (spirituelle Ebene) – z.B. auf die Bedingungen menschlicher Existenz.
Gefühle, Empfindungen, Gedanken werden bewusst wahrgenommen und wieder losgelassen. Hier beginnt der spirituelle Pfad und die Befreiung von Unbewusstheit. Tiefe Einsichten werden möglich und Selbst-Entdeckung sowie Selbst-Verwirklichung können die höheren Dimensionen des Seins erschließen helfen. Meditierende auf diesem Weg beginnen, unbegrenzte Liebe, Güte, und Wohlwollen für alle Wesen auszustrahlen, Mitgefühl und Mitfreude sowie Gleichmut zu empfinden.
Zur Erreichung dieser Ziele wurden unzählige Methoden der Meditation entwickelt und der Buddhismus ist auch hier nicht ausschließend. Für Shaolin-Mönche ist einerseits das Meditieren im Sitzen, andererseits die bewegte Form wie im Qi Gong und im Gong Fu / Kung Fu von zentraler Bedeutung. Haltung beim Sitzen sollte bequem sein. Im Osten entspricht das dem Sitzen auf dem Boden, meist im Lotussitz oder Schneidersitz. Wichtig ist ein gerader Rücken, sodass die Energie und Atmung frei fließen. Der Inhalt sollte jedoch nicht mit der Form verwechselt werden. Auch aufrecht auf einem Stuhl zu sitzen, kann eine Position für eine Meditation sein. Meditieren im Liegen kann die Gefahr, dabei einzuschlafen, beinhalten. Nachdem kurz vor dem Einschlafen und vor dem Aufwachen jedoch ein ähnlicher Bewusstseinszustand vorherrscht wie beim Meditieren, kann man diese Phasen auch liegend im Bett dafür nutzen.
Meditieren bedeutet innezuhalten und sich gewahr zu werden, zu fühlen, zu spüren und wahrzunehmen. Es erzeugt einen Zustand der Entspannung und der Beruhigung des Geistes. Die Sammlung, Konzentration und Beherrschung des Geistes werden im Buddhismus „Samadhi“ genannt. In der Meditation fällt es oft leichter, sich seiner selbst bewusst zu werden und die eigenen Fehler oder Einschränkungen zu erkennen, die den Fortschritt blockieren. Nach buddhistischer Weltsicht sind das vor allem:
∙ Sinnliche Begierde
∙ Groll, Hass, Ärger
∙ Stumpfheit und Trägheit
∙ Aufgeregtheit und Gewissensunruhe
∙ Zweifelsucht.
Einsicht ist der erste Schritt zu der Entscheidung, etwas im Leben oder sich selbst zu verändern und damit Neues anzuziehen. Entspannung und Konzentration sind die Vorstufen zu den Zielen der Weisheit und Klarheit im Leben. Die Fokussierung des Geistes hilft, zu verändern und tiefe Sammlung zu erzielen. Die Achtsamkeit beim Meditieren kann sich auf den Körper, die Gefühle und Empfindungen oder das Denken und den Geist richten.
Der Pfad der Sammlung führt zu verschiedenen Stufen der Versenkung und der mystischen Erlebnisse oder Zustände, wie Verzückung, Seligkeit und Ekstase. Laut Buddha gibt es vier Versenkungsstufen, die dabei helfen, Nirwana und das Ende des Leidens zu erlangen:
∙ Achtsames gerichtetes Denken (sinnliches Verlangen hört auf – Wohlbehagen)
∙ Geistige Konzentration auf einen Punkt oder Gegenstand (Nachdenken hört auf – Wohlbehagen)
∙ Gleichmut, Klarheit, Gelassenheit
∙ Aufhebung von Vergangenheit und Zukunft, von Erinnerungen an Gefühle oder Empfindungen – reine Gegenwart, Sein.
Eine meditative Grundhaltung ist eine geistige Einstellung, eine offene und bewusste Geisteshaltung im täglichen Leben. Leben im Sinne des Zen-Buddhismus ist Meditation, die in jeder Sekunde gelebt wird. Das meint bewusstes, achtsames Dasein, Präsenz in jedem Augenblick, ein Leben im Jetzt. Gehen ist Gehen und Sitzen ist Sitzen, Schreiben ist Schreiben, nicht Denken und Handeln und Sprechen, die einander widersprechen. Angestrebt werden dabei die Erhöhung der Achtsamkeit und der Bewusstheit im täglichen Leben.