»Historische Vorbilder für IWF-Plan: Schuldenkrisen enden meist mit einer Zwangsabgabe!«

Einmalig soll jeder Europäer zehn Prozent zahlen, um die europäische Schuldenkrise zu bekämpfen – eine abwegige Idee des IWF? Überhaupt nicht: Zwangsabgaben gab es in der Geschichte immer wieder – nur hatten sie bislang recht wenig Erfolg!

Wie wird die Europäische Union endlich Herr des Staatsschuldenberges? In seinem aktuellen Staatsschuldenbericht spinnt das Internationale Währungsfonds (IWF) eine ungewöhnliche Idee: Eine einmalige Steuerabgabe von zehn Prozent auf alle Sparguthaben soll die Haushaltslöcher schließen, so der Vorschlag. Auf den ersten Blick mag das abwegig klingen. Doch beim genauen Hinsehen stellt man fest: Der Staat hat im Laufe der Geschichte schon öfter auf die Ersparnisse der Bürger zugegriffen.

Solche Maßnahmen beschließt eine Regierung immer dann, wenn es um den Haushalt ziemlich schlecht bestellt ist: „Solvenzprobleme, insbesondere übergroße Schuldenlasten, entstehen nur, wenn die Führung Verpflichtungen eingeht, denen sie in vertretbarer Frist nicht nachkommen kann“, erklärt Professor Werner Plumpe von der Goethe-Universität Frankfurt am Main.In der Regel gibt es drei Möglichkeiten für einen Staat, darauf zu reagieren. „Die einfachste und radikalste Lösung ist die Enteignung der Gläubiger, wenn der Staat direkten Zugriff auf sie hat. Ansonsten muss er, um seinen Verpflichtungen nachzukommen, die Steuerlast drastisch erhöhen, also den Steuerzahler enteignen“, sagt der Wirtschaftshistoriker. Zuletzt kann ein Staat außerdem weitere Schulden machen, um die alten Verpflichtungen zu bedienen. „Solange aber die Ausgaben nicht im Griff sind, bringt das alles bestenfalls Zeitgewinn“, so das Résumé des Wissenschaftlers.

Eine Vermögenssteuer gab es schon in der Antike

Gerade Zwangsabgaben werden in modernen Zeiten als potentielle Lösung aus der Schuldenfalle immer wieder heiß diskutiert. Ein Blick in die Geschichte zeigt aber: Staaten haben immer wieder in Krisenzeiten ihren Bürgern zusätzliche Vermögenssteuer auferlegt. Zwangsabgaben existieren bereits, seit es Steuern gibt.

Schon die Griechen der Antike setzten bereits erfolgreich Sonderabgaben ein. Dies erklärte der US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Barry Eichengreen bereits im Jahr 1989 in einem Aufsatz. Der Grund für den Erfolg bei den Griechen: Aus Eitelkeit heraus führten damals die Immobilienbesitzer höhere Werte für Eigentum an. Damit wiederum zahlten sie auch weitaus höhere Abgaben. Ein Idealbild, das sich in dieser Form in der Geschichte nicht mehr wiederfindet.

Zwangsenteignung des schwedischen Adels

Ein erstes bekanntes Beispiel der Geschichte für Zwangsenteignung findet sich in Schweden des Jahres 1680. Damals füllte Schweden seine leeren Staatskassen mit Zwangsenteignungen beim Adel auf. Dieser hatte durch Schenkungen seinen Grundbesitz in den Jahrzehnten zuvor deutlich mit königlichen Gütern vergrößert und musste über die Hälfte dieser Besitzungen an die schwedische Krone zurückgeben. Damit konnte der Einfluss großer aristokratischer Familien eingeschränkt werden. Gleichzeitig wurde der Staat wieder solvent.

Reichsnotopfer in Deutschland

Bereits während des ersten Weltkrieges zahlten deutsche Bürger verschiedene Vermögenssteuern zur Finanzierung der Kriegsmaschinerie. Nach Kriegsende folgte das sogenannte Reichsnotopfer. „Das Reichsnotopfer von 1919 – eine Vermögensabgabe, progressiv von 10 auf 65 Prozent ansteigend – war ein Desaster“, hält Wirtschaftshistoriker Prof. Werner Plumpe fest. „Weder war es leicht zu berechnen, noch konnte es erfolgreich eingebracht werden.“ Besteuert wurden damals hohe Vermögen über einem Wert 5000 Mark. Bei einem niedrigen Eigentum begannen die Steuersätze zehn Prozent. Den Höchstsatz erreichen sie mit 65 Prozent bei einem Vermögen über sieben Millionen Mark. Gesondert wurde Personen- und Kapitalgesellschaften sowie juristischen Personen ein Steuersatz von zehn Prozent auferlegt. „Vor allem aber begünstigte das Reichsnotopfer die Hoffnung, das Ausgabenniveau weiterhin hochhalten, gar noch steigern zu können, was schließlich in der Hyperinflation endete“, betont der Wissenschaftler. Mit der Hyperinflation verringerte sich ab 1921 der Realwert der Abgabe rapide. Zum einen bröckelte die Steuerbasis, zum anderen verzögerten viele Zahler bewusst ihre Zahlungen. Im April 1922 wurde schließlich die Vermögenssteuer in eine gewöhnliche Steuer mit niedrigen Raten überführt.Italiens Vermögenssteuer betrug 50 Prozent.

Der Schuldenberg aus dem Ersten Weltkrieg und ein dauerhafter Anstieg der Staatsausgaben in den Nachkriegsjahren war der Anlass für Italien, eine einmalige Vermögenssteuer mit Raten von 4,5 bis zu gewaltigen 50 Prozent einzuführen.

Die Zahlung musste laut dem Wirtschaftswissenschaftler Barry Eichengreen nicht sofort erfolgen – der Betrag ließ sich über 20 Jahre hinweg abstottern. Dabei waren jährlich maximale Raten von nur 2,5 Prozent fällig. Höhere Staatsausgaben zwangen die Regierung allerdings, sehr schnell die einmalige Abgabe eine dauerhafte Vermögenssteuer mit wachsenden Raten umzuwandeln. Im Jahr 1922 führte man die Ratenhöhe schließlich auf das ursprüngliche Niveau zurück.

Auch die Tschechoslowakei reagiert 1920 nach dem ersten Weltkrieg auf die Schulden mit einer Vermögenssteuer. Festgelegt war eine Dauer von drei Jahren. Die Rate bewegte sich zwischen drei bis 30 Prozent. Kräftig zu zahlen hatte vor allem eine reiche deutsche Minderheit, die sich politisch nicht widersetzen konnte. Wirtschaftswissenschaftler Barry Eichengreen hält die damalige Anwendung der Vermögenssteuer in der Tschechoslowakei für prinzipiell erfolgreich, da der Staat parallel zur Sonderabgabe gleichzeitig seine Ausgaben minimierte.

Weniger erfolgreich verlief im Jahr 1920 eine Zwangsabgabe in Österreich. Dort führte die Vermögenssteuer zu einem raschen Wertverlust: Sobald die Rate einer Steuer feststand, war sie bereits wieder veraltet. Die öffentliche Schuldenlast, die der Staat als Argument für eine solche Sonderabgabe anführte, verschwand dadurch ebenso. Schließlich wurde im Jahr 1922 die Abgabe aufgegeben und in eine jährliche Vermögenssteuer mit sehr niedrigen Raten gewandelt.

Erfolgsmodell Japan

Als einzige wirklich erfolgreiche Zwangsabgabe im 20 Jahrhundert bezeichnet der Ökonomie-Professor Eichengreen das Modell der Japaner nach dem Zweiten Weltkrieg. Im März 1946 hatte das von den Amerikanern besetzte Japan einen Schuldenberg von 202 Milliarden Yen. Oberstes Ziel der Sondersteuer war die Reduzierung der Steuerschulden aus Kriegszeiten. Zusätzlich sollte die Abgabe Geld für den Wiederaufbau zur Verfügung stellen und den Wohlstand einer reichen Minderheit reduzieren. Die einmalige Vermögenssteuer war allerdings nur eine von vielen Revisionsmaßnahmen. Neben der Vermögenssteuer führte Japan unter Einfluss der Amerikaner auch allgemeine Steuer-, Land- und Verfassungsreformen durch.

Sind Zwangsabgaben wirkungsvoll?

In den Augen des amerikanischen Wirtschaftsforschers Eichengreen hatte nur in Japan die Einführung einer Sondersteuer eine wirklich positive anhaltende Wirkung. Der Grund: Die Einführung erfolgte unter der Einflussnahme der amerikanischen Besatzer, Japan war damals keine vollständige Demokratie. In heutigen Demokratien dürften solche Zwangsabgaben nur eine Verzögerung verursachen. Und meist folgt unausweichlich eine Inflation, wie vor allem die Geschichte des 20. Jahrhunderts zeigt.

Prinzipiell lässt sich auch im 21. Jahrhundert allein mit Zwangsabgaben kein angeschlagener Staatshaushalt sanieren. „Zwangsabgaben sind nur erfolgreich, wenn der Staat parallel sein Finanzgebaren grundsätzlich ändert, also insbesondere die Ausgaben, die das Ungleichgewicht verursacht haben, wirksam zurückführt“, betont Wirtschaftshistoriker Plumpe. „Ansonsten fördern Zwangsabgaben nur die Illusion, dass es immer so weiter gehen könnte.“ Heißt konkret: Hat der Staat heute wie früher seinen Haushalt nicht im Griff, werden auch Sonderabgaben keinen langfristigen Erfolg zeigen.

Quelle: http://www.focus.de/finanzen/steuern/tid-34510/iwf-vorschlag-keine-neue-erkenntnis-die-geschichte-zeigt-sparer-zwangsabgaben-haben-historische-tradition_aid_1149516.html

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